Argumentationshilfen

Analyse 1.5 vs. 2 Grad IPCC Sonderbericht

(MB, Stand 15.05.2020)

Die Analyse bietet eine sachliche Grundlage für Argumentationslinien zu den Themen Pariser Abkommen, “well below 2°C”, Generationengerechtigkeit und globaler Gerechtigkeit in Zusammenhang mit Klimapolitik. Sie zeigt, warum 1.5° gegenüber 2 Grad Erwärmung dringend vorzuziehen ist.

Sie stützt sich auf den Sonderbericht des IPCC zu 1.5 Grad, IPCC1_5, der alle wich- tigen Erkenntnisse (Std. 2018) zusammenführt. Es lassen sich drei Hauptpunkte für unsere Linie finden: Das sind die Belastung für Tiere und Ökosysteme, die bei 2° höher sind als bei 1.5°, die drastischeren Auswirkungen auf Menschen, insbesondere erhöhte Risiken für Armut und Unterernährung, sowie erhöhte Risiken, Kipppunkte im Erdsystem zu überschreiten. Konkret:

In Bezug auf natürliche Lebensräume wird gezeigt, dass ihre Belastung durch den Klimawandel (KW) bei 1.5° verglichen mit 2° weniger zunimmt. Auch Auswirkungen des KW auf Menschen sind bei 1.5° Erwärmung besser abzufangen, als bei 2°. Das gilt für menschliches Leid durch Dürren, Hitze, Überschwemmungen und Meeresspiegelanstieg, genau wie für ökonomische Folgen des KW. Immer vorausgesetzt, ein stabiler Zustand mit 2°C wärmerem Planeten existiert. Dies ist unsicher.

Das ist der wichtigste Punkt der Analyse: für viele Kippelemente ist das Risiko, bei einer Erwärmung über 2° überschritten zu werden, erhöht. Dominoeffekte könnten dann bewirken, dass Rückkopplungen den Fortschritt des KW dominie- ren und dieser nicht mehr beherrscht werden kann.

Gelingt es nicht, das Überschreiten von Kipppunkten zu verhindern, nimmt das späteren Generationen jeden Handlungsspielraum. Sie stünden vor “vollendeten Tatsachen”.

Quicklinks

Hintergrund & Analyse

Wir halten fest, dass 2006-17 im Vergleich zum Zeitraum 1850-1900 die globale Mitteltemperatur (GMST) um 0.87°C angestiegen ist, und sich auch die Auswirkungen des Klimawandels (KW) nachweisen lassen. Sowohl Temperaturen der Atmosphäre als auch des Ozeans und die Intensität und Dauer von Hitzewellen sind gestiegen. Starke Niederschlagsereignisse haben zugenommen und werden das den Szenarien zufolge auch weiterhin. Für Europa sind Trends im Niederschlag vor allem in den mediterranen Breiten interessant: es ergibt sich erhöhte Gefahr von Dürren und Trockenheit. Die festgestellten Trends gehen weiter, wenn sich die GMST nur um 1.5° erhöht. Allerdings zeigt sich für die globalen Trends, dass sie sich für 1.5° weniger stark und schnell erhöhen, als für 2°.

Wir betrachten zuerst Auswirkungen auf Menschen. Die langsamere Veränderung des Klimas bietet bessere Chancen zur Anpassung, dies ist ein wichtiges Argument, warum 1.5° anzustreben sind. Hitzewellen sind hier ein gutes Beispiel: Die Erwärmung auf 1.5 anstatt 2° zu begrenzen, könnte jährlich bis zu 420 Mill. Menschen vor extremen Hitzewellen bewahren.

Ein wichtiger Punkt für die Anpassungsfähigkeit von Menschen an den KW ist auch der Meeresspiegelanstieg. Dieser wird 2100 bei 1.5° um etwa 0.1m geringer modelliert, als bei 2°. Das könnte bedeuten, dass 10 Mill. Menschen weniger durch den Anstieg bedroht wären. Die bei 1.5° langsamere Anstiegsrate begünstigt zudem Anpassung.

Hitze bedroht menschliche Gesundheit direkt, schon bei 1.5° werden negative Folgen erwartet. Besonders betroffen sind urbane Bereiche. Risiken für Infektionskrankheiten, die durch Mücken übertragen werden (z.B. Malaria), steigen zwischen 1.5 und 2° an.

Diese Auswirkungen auf menschliche Gesellschaften treffen weniger wohlhabende Staaten besonders. Das Wirtschaftswachstum schrumpft bei erhöhtem Temperaturanstieg, und Regionen auf dem Afrikanischen Kontinent, Südostasiens, Indiens, Brasiliens und Mexikos sind besonders von den wirtschaftlichen Folgen des KW betroffen. Dies gilt besonders für die Landwirtschaft.

Deshalb stellt sich nicht nur die Frage, wie unser Untätig-sein als reiche Industrienation vor diesen betroffenen Staaten zu rechtfertigen ist: Auch wenn Auswirkungen des KW auf Konfliktherde und generell Migration noch nicht klar sind, steigt der Migrationsdruck gerade auf ländliche und arme Communities, die stark vom KW betroffen sind: Ein Zusammenhang mit (v.a. Binnen-) Migration und ansteigenden Temperaturen wurde bereits nachgewiesen.

Insgesamt lässt sich für direkte Auswirkungen des KW auf Menschen bei 1.5 und 2° Erwärmung sagen:

  1. Qualitativ passieren dieselben Prozesse, allerdings sinken für 1.5 vs. 2 Grad:
    1. die Intensität und Frequenz vieler Extremwetterereignisse
    2. die Bedrohungen durch Hitzewellen und Überschwemmungen
    3. Geschwindigkeit von Gletscherschmelze und damit des Meeresspiegelanstiegs
  2. Besonders beim Meeresspiegelanstieg entscheidet die Geschwindigkeit über Möglichkeiten der Anpassung.
  3. Ökonomische Folgen treffen vulnerable Regionen besonders und könnten somit zur weiteren Ausbreitung globaler Ungleichheit und extremer Armut führen. Diese sind bei 2° höher als bei 1.5.

Um zu verstehen, warum aber 1.5 vs. 2° vielleicht ein existentieller, kein kleiner Unterschied ist, lohnt es, die Auswirkungen auf Kippelemente im Klimasystem zu betrachten. Der IPCC untersucht die Risiken, für Kipppunkte für bestimmte Teile des Systems, überschritten zu werden, und die Änderung dieser Risiken zwischen 1.5° und 2°. Bei Systemen mit selbstverstärkender Rückkopplung (Gletscher, Meereis, Permafrost mit gespeichertem Methan, Amazonas-Regenwald…) führt ein Überschreiten von Kipp- punkten dazu, dass ausgelöste Mechanismen sich immer weiter selbst verstärken und so den Klimawandel unkontrollierbar machen (zumindest, wenn zu viele “Tipping Points” überschritten wurden.). Der Sonderbericht zu 1.5° sieht es als wahrscheinlich an, dass für die Meereisbedeckung der Arktis im Sommer ein Kipppunkt bereits zwischen 1.5 und 2° liegen könnte. Zudem wird das Risiko, das Westantarktische Eisschild bereits “verloren” zu haben, als hoch eingeschätzt. Das zeigt, dass der Kipppunkt für die Antarktis vielleicht näher liegt, als gedacht. Korallenriffs werden bei über 2° Erwärmung mit hoher Wahrscheinlichkeit völlig aussterben, während bei 1.5° manche überleben könnte. Somit bestünde die Chance, dass Korallen langfristig umsiedeln und überleben könnten. Auch beim Permafrost wird bei 1.5° weniger Schmelzen erwartet, als bei 2°. So würde weniger CO2 irreversibel entlassen.

Zusammenfassend lässt sich zu Kipppunkten sagen, dass

  1. viele Unsicherheiten bestehen, und wir oft nicht genau wissen, wo sie liegen.
  2. einige Kipppunkte mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit bei Temperaturen nahe und über 2° überschritten werden, als bei deutlich unter 1.5° Erwärmung.
  3. sich selbst überschrittene Kipppunkte bei geringerer Erwärmung langsamer auswirken und so zu beherrschbareren Szenarien führen (z.B. westantarktisches Eisschild).

Mit Blick auf die großen Unsicherheiten scheint es unverantwortlich, das Risiko einer Erwärmung über 2° einzugehen. Werden zu viele Kipppunkte überschritten, haben spätere Generationen keine Chance, in einen stabilen, wenige °C wärmeren Zustand zu gelangen. Im schlimmsten Fall könnten schon kurz über 2° Erwärmung so viele selbstverstärkende Effekte eintreten, dass dies eine “Hothouse Earth” mit 5-7° höheren Durchschnittstemperaturen verursacht[2]. Ein solcher Zustand hat nichts mit der von uns bewohnten Welt zu tun, und bedeutete ein nicht kalkulierbares Risiko.

Wollen wir verantwortlich handeln, muss das Überschreiten von Kipppunkten wo möglich verhindert werden. Weil wir nicht genau wissen, wo diese liegen, müssen wir vor- sichtig sein und beim Begrenzen der Klimaerwärmung entschlossen handeln. Dass viele Kipppunkte zwischen 1.5 und 2 Grad ansteigende Risiken zeigen, begründet das Ziel des Pariser Abkommens, klar unter 2° Erwärmung zu bleiben.

Argumentationsempfehlung

  • Es ändert sich zwischen 1.5 und 2 Grad Auswirkung des KW auf Mensch und Natur (werden stärker)
  • besonders arme Staaten und darin arme Menschen betroffen
    • bedroht Ziele, Armut zu bekämpfen, und Menschen besser zu versorgen
  • Es steigen Risiken für Tipping Points: Gefahr unkontrollierbarer Erwärmung:
    • unverantwortlich: zukünftige Generationen können nicht mehr entscheiden[2]/ haben keine Chance mehr, zu handeln: das muss verhindert werden

Für Mindrup: Gerechtigkeit global und zwischen Generationen: Besondere Bedrohung armer und schwacher: Klassenkonflikt: Verursacher und Leidtragende nicht identisch (Global aber auch in Deutschland). SPD als Vertreterin sozialer Gerechtigkeit muss über den Generationentellerrand hinaus schauen.

Für Jung: Union mit Schwarzer Null die Partei, die sich rühmt, künftigen Generationen keine Schulden hinterlassen zu wollen. Ohne vernünftigen Klimaschutz hinter- lassen sie uns nicht Schulden, sondern einen riesigen Schuldenberg, den man irgend- wann auch theoretisch nicht mehr tilgen kann. Wer unsere Generation ernst nimmt, muss uns im Hinblick auf den Klimawandel die Möglichkeit geben, zu entscheiden und zu handeln.

Relevante Quellen

[1]: IPCC Sonderbericht zu 1.5 vs 2 Grad Erwärmung, Quelle für die ganz naturwissenschaftlichen Hintergründe.

[2]:Tipping elements in the Earth’s climate system: Warum wir Tipping Points dringend vermeiden sollten

Analyse Klimaneutralität Deutschland deutlich vor 2050

(MB und AK, 24.05.2020)

Diese Analyse verdeutlicht, warum entschiedenere Klimapolitik in Deutschland aus klima- und wirtschaftspolitischer Sicht geboten ist. Wichtig für glaubwürdige Argumentation ist, nicht zu behaupten, aus Berichten des IPCC gehe direkt hervor, Deutschland müsse bis zum Jahr X Klimaneutralität erreicht haben. Dennoch bietet der IPCC [IPCC mitigation] Grundlage für zwei Argumentationen, die eine Verschärfung klimapolitischer Ziele und Maßnahmen begründen:

Erstens (klimapolitisches Argument): Globaler Klimaschutz geht viel zu langsam voran und braucht mehr Ambition. Deutschland kann hierfür Vorreiter sein.

Zweitens (wirtschaftspolitisches Argument): In einer künftig immer mehr auf Greentech angewiesenen Weltwirtschaft ist ambitionierte Klimapolitik kluge Industriepolitik.

Zu 1: Es gibt kaum realistische Szenarien, die bis 2030 mit bisher vereinbarten Emissionsreduktionszielen (von den Ländern gesteckte Ziele, i.F. “NDC”s) rechnen, und mit 1.5° Erwärmung konsistent sind. Auch unter 2° Erwärmung zu bleiben wird mit aktuellen NDCs bis 2030 schwer[IPCC mitigation].

Nötig ist ein Trend zu strafferen NDCs, deutlich vor 2030. Der EU (wahlweise: “Deutschland”) mit überproportionalen Anteil an historischen Emissionen und starker Wirtschaft kommt hier besondere Verantwortung zu.

Deutschland kann mehr Klimaschutz als bisher leisten. Und als Vorreiter anderen zeigen, dass Klimaschutz funktioniert und so global zu stärkerem Handeln beitragen.

Zu 2: Künftig werden, egal ob man unter 1.5 oder 2°bleiben will, Investitionen in erneuerbare Energien und andere Klimaschutztechnologien massiv ansteigen [IPCC mitigation]. Ehrgeizige Klimapolitik bereitet Unternehmen darauf vor und sichert Wettbewerbsfähigkeit für die klimaneutralen Wirtschaft von morgen.

Quicklinks

Hintergrund & Analyse

Wir wollen verstehen, warum eine verglichen mit der aktuellen ambitioniertere Klima- politik für Deutschland wichtig ist. Wir betrachten dazu die globale Lage und Deutsch- lands Rolle darin. Zunächst werden die Ergebnisse des IPCC Sonderberichts zu 1.5 vs 2° bezüglich Emissionspfaden [IPCC mitigation] analysiert. Im Anschluss beleuchten wir Deutschlands historische und aktuelle Rolle in der internationalen Klimapolitik. Zusam- men begründet das, dass Klimaneutralität für Deutschland vor 2050 möglich und wichtig ist.

Klimapolitische Lage:

Das Kapitel [IPCC mitigation] zu mit 1.5° kompatiblen Emissionspfaden fasst zusam- men, dass die aktuellen Versprechungen der Staaten (NDCs) unter dem Pariser Klimaabkommen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausreichen, um die Erwärmung der globalen Mitteltemperatur (GMT) langfristig auf 1.5° zu begrenzen. Dies gilt auch, wenn nach 2030 viel schärfere Ziele formuliert werden. Es erscheint unwahr- scheinlich, dass die Summe aller Emissionen ab 2018 mit aktuellen NDCs bis 2030 unter 580 Gt CO2 bleiben könnte. Diese Summe entspricht einer 50%-Chance, 1.5° Erwärmung nicht zu überschreiten.

Die Gründe für die Schwierigkeiten, mit aktuellen NDCs das 1.5°- oder 2°-Ziel noch zu erreichen sind im Wesentlichen drei:

  1. Werden bis 2030 nur die vereinbarten NDCs erfüllt, müssten Einsparungen da- nach deutlich schneller erfolgen, als bei früher rückläufigen Emissionen. Nach 2030 müssten Emissionen dann in weniger als 15 Jahren auf Null sinken.
  2. Selbst mit scharfen Einsparungen ab 2030 wäre globaler Einsatz von CDR (Carbon Dioxide Removal) nötig, um auf mit 1.5° kompatible CO2 Konzentra- tionen zurück zu kommen. Selbst mit CDR und steilen Einsparungen wäre eine Erwärmung von weniger als 1.5° sehr unwahrscheinlich.
  3. Durch die zuvor lasche Klimapolitik besteht die Gefahr von technologischem und institutionellem Festhängen (Lock-In) bei CO2-intensiver Infrastruktur.

Kurz gesagt: durch zögerliche Klimapolitik erhöhen wir die Notwendigkeit, später radikal umzusteuern, während wir gleichzeitig unsere Fähigkeiten dazu reduzieren. Beispielhaft gilt dies in der Energiebranche, wo Investitionen sich erst nach längeren Zeiträumen rechnen und somit der Bau von z.B. Kohlekraftwerke heute den Umstieg auf Erneuerbare auch mittelfristig erschwert. Auch, dass in Szenarien, die bei Ein- halten der aktuellen NDCs bis 2030 noch mit 1.5° kompatibel sind, massiv CDR-Technologien eingesetzt werden müssten, ist ein Problem: Die angenommenen Technologien existieren noch nicht und bringen große Risiken mit sich. Zusammenfassend: Ein Begrenzen des GMT-Anstiegs auf 1.5° wird unter aktuellen NDCs praktisch unmöglich.

Szenarien, die zu keinem Zeitpunkt eine GMT von deutlich mehr als 1.5° über der GMT der vorindustriellen Zeit aufweisen, reduzieren Emissionen schon zwischen 2010 und 2030 um 40-60%. Auch für die 2°-Szenarien sinken Emissionen zwischen 2010 und 2030 um rund 25%. Je nachdem, ob 2 oder 1.5° nicht überschritten werden sollen, muss globale Emissionsneutralität bis spätestens 2070 beziehungsweise bis 2050 (1.5°) erreicht werden[IPCC mitigation]. Welche Anstrengungen das bedeuten würde, zeigt der Vergleich mit aktuellen Entwicklungen: zwischen 2010 und 2020 sind globale Emission um etwa 10% von 30 Gt CO2 auf 33 Gt CO2 pro Jahr gestiegen IEA .

Damit ist klar, dass alle Länder ihre Bemühungen verstärken müssen, um den Klimawandel in dem im Pariser Abkommen beschlossenen Rahmen zu halten. Warum ist es wichtig, dass Deutschland hier voran geht und schon vor 2050 klimaneutral wird?

Deutschlands Verantwortung als Vorreiter:

Laut (WorldData_19) betrugen globale Pro-Kopf Emissionen 2019 4,8t C02. Im gleichen Jahr emittierte der Durchschnittsdeutsche mehr als doppelt so viel: 9,7t. Deutschland ist also nicht nur eins der reichsten Länder der Welt, sondern auch eines derer mit dem größten Pro-Kopf Beitrag zur Klimakrise: Wir haben einiges an Potential. Dehnt man diese Analyse auf die EU als Ganzes aus, findet man, dass diese mit weniger als 7% der Weltbevölkerung 2019 für mehr als 10% der globalen Emissionen verantwortlich ist (WorldData_19). Gerade im Hinblick auf internationale Klimaverhandlungen ist dies wichtig: Wir müssen gerade Schwellen- und Entwicklungsländern gegenüber Anstrengungen im Klimaschutz zeigen, wenn wir von diesen Klimaschutz verlangen.

Deutschland als reiches Industrieland mit gut gebildeten BürgerInnen könnte für viele technologische und gesellschaftliche Probleme beim Einsparen von CO2 Lö- sungen finden. Funktionierender Klimaschutz in Deutschland würde Ermutigung und Blaupause für andere Länder. Wir könnten zeigen, dass eine nachhaltig wirtschaften- de Gesellschaft erfolgreich und wohlhabend sein kann. So würden wir über unsere direkten CO2-Einsparungen hinaus zu Klimaschutz beitragen. Wir könnten unsere Lösungen teilen. Und Exportieren.

Deshalb ist auch ambitionierter Klimaschutz ist langfristig kluge Wirtschaftspolitik. Warum ist das der Fall? Argumentationsgrundlage ist wieder der Bericht des IPCC, der zukünftige Investitionen für 1.5° betrachtet. Die Ergebnisse sind für 2°-kompatible Szenarien qualitativ ähnlich, unterscheiden sich aber graduell.

Wirtschaftspolitisches Argument:

Im [IPCC mitigation] zeigt sich, dass sich globale Investitionsströme für 1.5°(2°)- kompatible Pfade drastisch ändern: Investitionen würden mittelfristig nur noch in klimafreundliche Wirtschaftszweige fließen. Der IPCC erwartet zusätzliche jährliche Investitionen ins Energiesystem von etwa 800 Milliarden $ für 1.5°-Pfade. Das wären Zuwächse von etwa 15%. Jährliche Investitionen in erneuerbare Energien müsst- en sich zwischen 2015 und 2050 um den Faktor 4-10 vervielfachen, und überstiegen fossile Investitionen ab 2025. Erneuerbare Energien werden also zum gigantischen Wachstumsmarkt. Auch andere klimafreundliche Wirtschaftszweige werden mittelfristig wachsen. Eine Klimapolitik für Deutschland, die hiesige Unternehmen bei der Transformation hin zu klimafreundlichen Technologien unterstützt, ist also Voraussetzung für einen künftig wettbewerbsfähigen Technologiestandort Deutschland.

Entgegen der Erzählung mancher Branchen, man müsse Klimaschutz und Wirtschaft gegeneinander abwägen, ist das Gegenteil der Fall: Für eine florierende und nachhaltige Wirtschaft von Morgen braucht Deutschland heute ambitionierte Klimaziele und eine Gesetzgebung, die uns diese erreichen lässt.

Argumentationsempfehlung:

Annahme: Wir streben 1.5°C / (“well below 2°C”) an.

Dann kann man wie folgt mit dem Sonderbericht des IPCC zu 1.5° (2018) klimapolitisch argumentieren:

  1. Szenarien, die mit 1.5°C vereinbar sind, haben global Null Emissionen spätestens 2050
  2. Kurzfristig ehrgeizige Politik ist vor allem wichtig, weil:
    1. Gefahr von technologischem Lock-In, wenn jetzt fossiles investiert wird
    2. Je weniger Reduktion jetzt passiert, desto
      1. mehr muss später passieren
      2. mehr sind wir auf noch nicht entwickelten Technologien wie CCS angewiesen
      3. höher sind maximale “Overshoot”- Temperaturen und damit Risiken, Kipppunkte zu überschreiten
      4. unrealistischer wird 1.5° insgesamt
  3. Erwartbar: Schwellenländer tun sich deutlich schwerer als Deutschland (die EU). → Deutschland und EU als Vorreiter und proof of principle (Zeigt, dass es prinzipiell möglich ist, Klimaschutz und eine funktionierende Wirtschaft zu vereinen.)

Wirtschaftspolitisch kann man argumentieren (selbst, wenn man nur annimmt, dass das 2° – Ziel weltweit ernsthaft verfolgt wird):

  1. Global müssen sich Investitionen in Klimatechnologien vervielfachen (versechsfachen für 1.5°)
  2. Wenn EU (D) schneller als der Rest der Welt straffe Klimaziele implementieren, also in EE (greentech) investieren, schafft das Kapazitäten in Zukunftsmärkten.
  3. Damit: NetZero 2030 (<< 2050, jedenfalls) Investition in die Industrienation Deutschland (Ingenieursland, Exportnation, You name it ;))

Relevante Quellen

IPCC mitigation: Kapitel 2 des IPCC Sonderberichts zu 1.5 vs 2° Erwärmung: Analysiert Szenarien, Auswirkungen auf andere Nachhaltigkeitsziele, und Anforderungen an Poli- tik. Zeigt, dass schon deutlich vor 2030 massive Emissionsreduktionen erfolgen müssen.

1.5 vs.2 Grad Kurzanalyse: (! Dokument der Arghilfe: Keine wissenschaftliche Quelle!) Dok fasst die wichtigsten Argumente für das 1.5° -Ziel (als 2° vorzuziehen) zusammen.

IEA: Seite der international energy agency, zeigt globale Emissionen seit 1990

worlddata_19: “CO₂ and Greenhouse Gas Emissions”: Daten zu aktuellen globalen Emissionen, erarbeitet von AutorInnen der Uni Oxford.

Nettonull 2035

IPCC Sonderbericht Sept. 2019

Anforderungen an den globalen und regionalen Kohleausstieg unter dem Pariser Klimaabkommen: Erkenntnisse aus dem Sonderbericht zum 1,5°C-Ziel des Weltklimarats (IPCC), September 2019, Climate Analytics: http://bit.ly/CA_coal

Pressemitteilung:

https://climateanalytics.org/latest/coal-exit-by-2040-to-keep-climate-goals-within-reach-report/

Kohle ist für den Großteil der klimaschädlichen Kohlendioxidbelastung verantwortlich. Um die Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen und die schlimmsten Klimafolgen zu verhindern, muss als wichtigster Schritt der Ausstieg aus der Kohle und ein Verbot neuer Kohlekraftwerke umgesetzt werden. Vor dem Hintergrund der jüngsten Forschungsergebnisse des Weltklimarats IPCC zeigt dieser Bericht von Climate Analytics auf, wie schnell der Kohleausstieg geschehen muss, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Kernbotschaften

● Obwohl die Anzahl der geplanten neuen Kohlekraftwerke seit der Annahme des Pariser Klimaabkommens um 75% zurückgegangen ist, reicht ein reiner Stopp des Neubaus von Kohlekraftwerken bei Weitem nicht aus, um das 1,5°C-Ziel zu erreichen

● Die allerwichtigste Maßnahme zum Erreichen des 1,5°C-Ziels ist ein kompletter Ausstieg aus der Kohleverstromung

● Die Handlungen von Regierungen bezüglich eines Kohleausstiegs im Stromsektor bleiben weit hinter den nötigen Schritten zur Erreichung des 1.5°C-Ziels zurück

● Um eine Chance auf das Erreichen des 1,5°C-Ziels zu haben, müssen sie wirkungsvolle gesetzliche Maßnahmen zur Schließung von Kohlekraftwerken – vor Ablauf ihrer technischen Lebensdauer – umsetzen und die Nutzung solcher Kraftwerke bis dahin erheblich einschränken. Zudem dürfen keine neuen Kohlekraftwerke gebaut werden.

● Regierungen müssen bis 2020 ihre nationalen Klimabeiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs) unter dem Pariser Klimaabkommen dringend drastisch verbessern. Die neuen Zusagen müssen eindeutige Verpflichtungen zum Ausstieg aus der Kohle, zur Abschaffung der Subventionen für fossile Brennstoffe und zur Förderung erneuerbarer Energien und Energieeffizienz enthalten

● Wichtige im Bericht genannte Fristen:

· Die globalen Kohleemissionen sollten 2020 ihren Höchststand erreicht haben, und danach drastisch sinken;

· Die weltweite Kohleverstromung muss bis 2030 um 80% niedriger liegen als noch im Jahr 2010;

· OECD-Länder sollten bis 2030 ganz aus der Kohle ausgestiegen sein;

· Alle Kohlekraftwerke müssen bis spätestens 2040 abgeschaltet werden.

Ausstiegsfristen und die bis 2030 benötigten Reduktionen per Region:

RegionKohleausstiegsfristReduzierung der Kohleverstromung bis 2030 in % (Basis: 2010)
OECD-Länder

2031

[2029,2035]

86%

[76%,97%]
Asiatische Nicht-OECD-Länder

2037

[2034,2041]

63%

[53%,83%]
Lateinamerika

2032

[2026,2045]

85%

[40%,97%]
Naher Osten und Afrika

2034

[2031,2042]

80%

[63%,96%]
Osteuropa und ehemalige Sowjetunion

2031

[2030,2044]

86%

[67%,98%]

Weitere Werkzeuge, um die Kernaussagen auf Ihren nationalen Kontext zuzuschneiden:

Grafische Darstellung der Kohlesituation einzelner Länder mit dem Online-Tool The Lowdown on Coal

http://bit.ly/CA_lwdwn

Anforderungen an den globalen und regionalen Kohleausstieg unter dem Pariser Klimaabkommen: Erkenntnisse aus dem Sonderbericht über 1,5°C des Weltklimarats (IPCC)

Autor*innen: Paola A. Yanguas Parra, Gaurav Ganti, Robert Brecha, Bill Hare, Michiel Schaeffer, Ursula Fuentes

 

Zusammenfassung

In dieser Studie wird erstmals dargestellt, welche Folgen die Transformationspfade für den Energiesektor, die im Einklang mit der 1,5°C Erwärmungsgrenze des Pariser Klimaabkommens stehen und im Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) über 1,5°C[1] untersucht werden, auf die Kohlekraft haben. Bei der Bewertung der praktischen Implikationen eines Kohleausstiegs unter dem Pariser Klimaabkommen konzentrieren wir uns auf die traditionelle Kohleverbrennung ohne CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS), da unserer Ansicht nach der künftige Einsatz von CCS für fossil befeuerte Kraftwerke aufgrund der hohen Kosten sehr unwahrscheinlich ist. Zudem sehen die derzeitigen Pläne für neue Kohlekraftwerke keine CCS-Maßnahmen vor.

Der Sonderbericht des Weltklimarats IPCC über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5°C (IPCC SR1.5) identifiziert regionale Pfade für fünf Regionen. Darauf aufbauend kommt diese Studie zu den folgenden Schlüssen:

· Ungeachtet der Region muss die Kohleverstromung bis 2020 ihren Höchststand erreicht haben und dann rasch reduziert werden;

· Die traditionelle Kohleverbrennung ohne CCS sollte bis 2030 um 80% niedriger liegen als noch 2010. Bis 2040 sollte ein weltweiter Ausstieg erfolgen, zehn Jahre früher als in bisherigen Schätzungen empfohlen;

· Die größten Reduktionen bei der Kohleverstromung müssen bis 2030 vorgenommen werden. Bis dahin sollte der Anteil der Kohlekraft an der Stromerzeugung nirgendwo höher als 13% sein und weltweit bei etwa 6% liegen;

· Alle Regionen sollten zwischen 2030 und 2040 aus der Kohle aussteigen. Der Ausstieg sollte zunächst in OECD-Ländern, Osteuropa und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion (bis 2031) erfolgen, dann in Lateinamerika (bis 2032), dem Nahen Osten und Afrika (bis 2034), und schließlich in den asiatischen Nicht-OECD-Ländern (bis 2037), womit der weltweite Kohleausstieg bis 2040 abgeschlossen wäre.

Tabelle 1 Ausstiegsfristen für mittlere (Median), mit dem Pariser Klimaabkommen konsistente regionale Pfade

RegionAusstiegsfrist
OECD-Länder2031
Asiatische Nicht-OECD-Länder2037
Lateinamerika2032
Naher Osten und Afrika2034
Osteuropa und ehemalige Sowjetunion2031

Diese Ergebnisse bestätigen die Erkenntnisse aus unserem Bericht von 2016 bezüglich der Notwendigkeit einer raschen Reduzierung der Kohleverstromung ab 2020 und der Tatsache, dass manche Regionen wie z. B. OECD und EU beim Kohleausstieg vorangehen und früher als andere Regionen aus der Kohle aussteigen müssen. Im Jahr 2016 stand nur ein einziger mit dem Pariser Klimaabkommen konsistentes Szenario zur Verfügung. Mittlerweile sind viele neue Szenarien verfügbar, und der weltweite Kohleausstieg sollte daher um einiges früher als 2050 erfolgen – eine Frist, die 2016 als realistisch eingeschätzt wurde. Basierend auf der Analyse aller verfügbaren regionalen Szenarien liegt unser neues geschätztes mittleres[2] Datum für den weltweiten Kohleausstieg bei 2037.

Derzeit ist die Welt nicht auf dem richtigen Kurs für einen mit dem Pariser Klimaabkommen konsistenten Kohleausstieg. Der Betrieb aller bestehenden und geplanten Kohlekraftwerke weltweit würde bis 2030 zu einem Anstieg der Kohlekraft um 3% gegenüber 2010 führen. Sollten sich diese Trends fortsetzen, so würde dies zu kumulativen Emissionen aus der Kohleverstromung führen, die bis 2050 beinahe viermal höher lägen als das, was mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar wäre.

Abb. 1 Künftige Kohleverstromung aus bestehenden und geplanten Kohlekraftwerken im Gegensatz zu den Zielsetzungen des Pariser Klimaabkommens

Um die Chance auf Erreichen des 1,5°C-Ziels unter dem Pariser Klimaabkommen nicht zu vertun, muss die Staatengemeinschaft zahlreiche bestehende Kohlekraftwerke frühzeitig stilllegen, den Kapazitätsfaktor aller übrigen Kohlekraftwerke reduzieren und vom Ausbau weiterer Kohlekapazitäten absehen.

Es gibt Anzeichen dafür, dass sich in der Branche etwas bewegt, was hoffen lässt, dass ein schnellerer Übergang weg von der Kohle möglich ist. Die Anzahl der geplanten neuen Kohlekraftwerke ist zwischen 2015 und 2019 um beinahe 75% zurückgegangen, und einige Länder und Investoren haben sich bezüglich neuer Kohleverstromung entweder zu Einschränkungen oder gar zu einem absoluten Verbot verpflichtet. Der Kapazitätsfaktor der Kohlekraftwerke, die derzeit in Betrieb sind, geht in einigen Ländern weiter zurück, was deren Rentabilität für die Betreiber beeinträchtigt und damit auch ihre Bereitschaft, in neue Kohlekraft bzw. die Modernisierung bestehender Kohlekraftwerke zu investieren. In der Folge sind in Kohle investierte Vermögenswerte immer stärker von Veränderungen am Markt und in der Politik bedroht.

Capacity GWKapazität GW
AnnouncedAngekündigt
PermittedGenehmigt
Pre-permitNoch nicht genehmigt
Global Coal Plant Tracker (2016 and 2019 versions)Global Coal Plant Tracker (Versionen: 2016 und 2019)
Climate Analytics: Science-Based Policy to Prevent Dangerous Climate ChangeClimate Analytics: Science-Based Policy to Prevent Dangerous Climate Change

Abb. 2 Veränderung in der Anzahl geplanter neuer Kohlekraftwerke laut Quellen 2015 und 2019

Allerdings sind die Fortschritte gemessen an den Anforderungen des Pariser Klimaabkommens immer noch nicht ausreichend. Zusätzlich zur Begrenzung neuer Kohlekapazitäten durch Investoren und nationale Stellen wird ein grundlegender Umbau des weltweiten Energiesektors benötigt, angeführt durch einen Übergang weg von der Kohle (und anderen fossilen Brennstoffen). Diese Umgestaltung wird von den rapide sinkenden Kosten für erneuerbare Energien und Speichertechnologien profitieren, was einen schnellen Übergang hin zu erneuerbarer Energie immer praktikabler machen wird.

Eine wichtige Chance auf ehrgeizigere nationale und internationale Klimaziele bietet der aktuelle Revisionszyklus der nationalen Klimabeiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs) unter dem Pariser Klimaabkommen. Im Rahmen des Revisionszyklus wird von allen Ländern erwartet, dass sie bis 2020 neue und ehrgeizigere Zusagen zum Klimaschutz vorlegen. Die neuen NDCs sollten eindeutige Verpflichtungen zum Ausstieg aus der Kohle, zur Abschaffung der Subventionen für fossile Brennstoffe und zur Förderung erneuerbarer Energien und Energieeffizienz enthalten, um so die Selbstverpflichtungen der Regierungen in punkto Klimapolitik zu stärken. Dies bietet sowohl Industrie- als auch Entwicklungsländern neue Möglichkeiten zur Schaffung einer klimaresistenten, kohlenstoffarmen Wirtschaft im Einklang mit den in Paris getätigten Zusagen. Zusätzlich zu den vermiedenen Klimafolgen hätte dies noch weitere Vorteile wie z. B. geringere Luftverschmutzung, besseren Zugang zu sauberer und moderner Energie, neue Beschäftigungsmöglichkeiten und stärkere Energieunabhängigkeit und -sicherheit.

Gleichzeitig können Regierungen durch stärkere Verpflichtungen zum Pariser Klimaabkommen und einen frühzeitigen Kohleausstieg das Risiko von verlorenen Vermögenswerten (stranded assets) und der damit verbundenen Kosten reduzieren. Gleichzeitig würden sie damit ein Signal an institutionelle Großanleger senden, stärker in die kohlenstoffarme Wirtschaft zu investieren. Dadurch würden auch nichtstaatliche Akteure ermuntert, weitere Investitionen in Kohle zu vermeiden und ihre Risikoexposition gegenüber diesem riskanten Sektor zu reduzieren.

[1] Mit dem 1,5°C-Ziel des Pariser Klimaabkommens konsistente Pfade sind im IPCC-Sonderbericht als Modell-Pfade definiert, welche die globale Erwärmung ohne oder mit geringer Überschreitung (Overshoot) auf 1,5°C begrenzen. Die vorliegende Studie wendet zudem die vom IPCC für die analysierten Pfade definierten Einschränkungen bezüglich Nachhaltigkeit an, die in Form von Beschränkungen für den Einsatz von Bioenergie mit Kohlendioxidabscheidung und -speicherung (BECCS) und die Kohlenstoffsequestrierung in Böden operationalisiert wurden. Mittels dieser Kriterien wurden in dieser Studie 18 mit dem Pariser Klimaabkommen konsistente Szenarien analysiert.

[2] Basierend auf dem Median.

Analyse CO2-Budget

(Stand 14.11.2020, GJ)

CO2-Budgets sind die zentrale Messgröße der Klimapolitik. Einem bestimmten Temperaturziel kann ein CO2-Budget zugeordnet werden, das die Einhaltung des Ziels mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gewährleistet. Damit sind CO2-Budgets indirekt Teil des Pariser Klimaabkommens.

Nach Zahlen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) dürfen global ab 2018 noch maximal 580 Gt CO2 ausgestoßen werden, um die globale Erwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% auf 1,5 °C zu begrenzen.

Da Staaten im Pariser Klimaabkommen ihre eigenen Ziele definieren dürfen, folgt nicht direkt aus dem Pariser Klimaabkommen, wie das globale CO2-Budget auf die Staaten verteilt wird. Grundsätzlich sind verschiedene Verteilungsschlüssel denkbar. Plausibel ist die Verteilung anhand der Bevölkerungszahl, da sie allen Menschen auf der Welt die gleiche Menge an Emissionen zugesteht. Dabei werden bereits die historischen Emissionen vernachlässigt. Daher ist das keineswegs eine Maximalforderung, sondern ein Kompromiss zwischen den Interessen reicher und armer Länder.

Bei einer Verteilung anhand der Bevölkerungszahl stehen Deutschland ab 2020 noch 4,2 Gt CO2 zur Verfügung, um die 1,5 °C-Grenze mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit einzuhalten. Bei gleichbleibenden Emissionen ist das Budget bereits 2026 verbraucht, bei linearer Reduktion im Jahr 2032.

Bisher hat die Bundesregierung kein CO2-Budget definiert, an dem sie ihren Beitrag zum Pariser Klimaabkommen misst. Ein solches Budget würde jedoch einerseits für Transparenz sorgen, da nachzuvollziehen ist, wie Ziele aus dem Pariser Klimaabkommen abgeleitet sind, andererseits würde es der Verteilungsgerechtigkeit dienen, da Deutschland bisher einen überproportionalen Anteil am globalen CO2-Budget für sich beansprucht.

Argumentationsempfehlung

  • Wichtigste Argumentationsempfehlungen stichpunktartig aufgezählt und erläutert. Take-aways der Analyse & ihre Anwendung im konkreten Argumentationsstrang.
  • Auch wenn das Pariser Klimaabkommen CO2-Budgets nicht wörtlich nennt, bedeuten die Temperaturgrenzen indirekt doch ein CO2-Budget. Dieses Budget ist eine (naturwissenschaftliche) Konsequenz der Temperaturgrenzen.
  • Eine mögliche gerechte Verteilung des globalen CO2-Budgets ist die Verteilung nach der Bevölkerungszahl. Da dabei historische Emissionen vernachlässigt werden, ist das keineswegs eine Maximalforderung, sondern ein Kompromiss zwischen den Interessen der armen und reichen Länder.
  • Bei diesem Verteilungsprinzip verbleiben für Deutschland ab 2020 noch ein CO2-Budget von 4,2 Gt, um mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% die 1,5 °C-Grenze einzuhalten. Bei gleichbleibenden Emissionen ist das Budget 2026 aufgebraucht, wenn die Emissionen linear auf Null reduziert werden, reicht das Budget bis 2032. (Diese Zahlen stammen aus dem Umweltgutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen – einem wissenschaftlichen Beratungsgremium der Bundesregierung.)
  • Es wäre wichtig, ein Paris-kompatibles CO2-Budget als Grundlage der deutschen Klimaziele zu wählen, vor allem aus zwei Gründen:
    • Verteilungsgerechtigkeit: Bisher beansprucht Deutschland mit seinen Emissionen und Zielen einen überproportional hohen Anteil des globalen CO2-Budgets zur Einhaltung der Pariser Klimaziele. Das ist nicht gerecht.
    • Transparenz: Nur wenn sich die Bundesregierung ein konkretes CO2-Budget setzt, und erklärt, warum es dieses Budget für Paris-kompatibel erachtet, wird nachvollziehbar, inwieweit der deutsche Beitrag zum Pariser Klimaabkommen ausreichend ist.

Hintergrund & Analyse

Die verschiedenen Treibhausgase (Kohlendioxid, Methan, Lachgas usw.) verbleiben für unterschiedlich lange Zeiträume in der Atmosphäre. Kohlendioxid (CO2), das Treibhausgas, das gegenwärtig mit Abstand am meisten zum Klimawandel beiträgt, verbleibt über sehr lange Zeiträume in der Atmosphäre. Daher sammelt sich immer mehr CO2 an. Eine gewisse Menge an CO2 in der Atmosphäre führt aber zu einer globalen Erhitzung um ein bestimmtes Niveau. Wenn der Klimawandel also auf ein Niveau von 1,5 °C (oder deutlich unter 2 °C) begrenzt werden soll, muss die absolute Menge an CO2 in der Atmosphäre auf ein bestimmtes Maß begrenzt werden. Dadurch lässt sich die Menge an CO2 berechnen, die ab jetzt noch maximal ausgestoßen werden darf, um die Erwärmung auf das gewünschte Niveau zu begrenzen. Diese Menge nennt man das CO2-Budget[1][1].

CO2-Budgets sind aussagekräftiger als Reduktionsziele, da z.B. bei einem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 nicht unmittelbar klar ist, wie viele Emissionen in der Zwischenzeit ausgestoßen werden. Wenn am Anfang sehr stark reduziert wird und zum Ende hin langsam die letzten verbleibenden Emissionen reduziert werden, ist der Effekt auf den Klimawandel ein ganz anderer, als wenn zunächst die Emissionen stagnieren und erst in den letzten Jahren vor dem Ziel drastische Reduktionen vorgenommen werden.

Das Pariser Klimaabkommen nennt zwar selber keine Budgets, aber es definiert Temperaturgrenzen (1,5 °C, sowie deutlich unter 2 °C). Da eine Temperaturgrenze aber ein Budget impliziert, sind Budgets indirekt im Pariser Klimaabkommen enthalten. Aufgrund der wissenschaftlichen Unsicherheit bei der Modellierung des Klimasystems kann ein Budget nicht als eine einzige Zahl definiert werden. Stattdessen werden Budgets für verschiedene Wahrscheinlichkeiten berechnet, ein Temperaturziel einzuhalten (meistens 33%, 50% und 67%). Die Studie des Wuppertal-Instituts im Auftrag von Fridays for Future zur Einhaltung des 1,5 °C-Ziels bezieht sich auf das CO2-Budget, das eine 50-prozentige Erreichung des Ziels bedeutet. (Natürlich kann man darüber streiten, ob eine 50-prozentige Einhaltung als Ziel ausreichend ist. Da die Studie aber im Auftrag von Fridays for Future erstellt wurde, bezieht sich der Rest der Analyse auf dieses Ziel.)

Um die globale Erwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% auf 1,5 °C zu begrenzen, dürfen global ab 2018 noch maximal 580 Gt CO2 ausgestoßen werden. Die Zahlen basieren auf den neuesten Erkenntnissen des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Diese klimaphysikalischen Erkenntnisse sagen aber noch nicht direkt etwas darüber aus, wie viel CO2 Deutschland noch ausstoßen darf, da es (aus rein naturwissenschaftlicher Sicht) irrelevant ist, in welchem Land das CO2 ausgestoßen wird. Bei der Verteilung des Budgets kommen nun also Gerechtigkeitsfragen ins Spiel.

Global ist kein Verteilungsschlüssel vorgeschrieben, da das Pariser Klimaabkommen den Staaten freistellt, was sie zum globalen Klimaschutz beitragen wollen (die sogenannten NDCs: Nationally Determined Contributions). Bei Überlegungen zu einer gerechten Verteilung wären verschiedene Schlüssel denkbar. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) nennt in seiner Analyse zu einem deutschen CO2-Budget fünf mögliche Verteilungsschlüssel: nach Bevölkerungszahl, nach ökonomischer Leistungsfähigkeit eines Staates, nach historischen pro-Kopf-Emissionen, nach Entwicklungsrechten („greenhouse gas development rights“, also das Recht von Ländern mit niedrigerem Wohlstandsniveau, mehr CO2 auszustoßen), und als konstanter Anteil der globalen Emissionen.

Der SRU hat in seiner Berechnung die Verteilung anhand der Bevölkerungszahl, aber unter Vernachlässigung der historischen Emissionen gewählt. Das Wuppertal-Institut, das sich in der Fridays for Future-Studie auf das Budget des SRU beruft, nimmt daher ebenfalls diesen Verteilungsschlüssel an. Dabei ist es wichtig, zu betonen, dass eine Verteilung nach Bevölkerungszahl, aber unter Vernachlässigung historischer Emissionen keineswegs eine „Maximalforderung“ ist. Vielmehr entspricht das einer Abwägung der Interessen der reichen Länder mit hohen historischen Emissionen und der ärmeren Länder mit geringeren Emissionen.

Für reiche Länder wäre eine Beibehaltung des bisherigen Anteils an den globalen Emissionen vorteilhaft: Damit hätten Länder, die in der Vergangenheit viel ausgestoßen haben, auch weiter das Recht mehr auszustoßen. Ärmere Länder dagegen haben ein Interesse, auch die historischen Emissionen mit einzubeziehen, schließlich haben die reichen Länder durch Emissionen in der Vergangenheit die Erde bereits um etwa 1 °C aufgeheizt. Allerdings wäre bei Einbeziehung der historischen Emissionen für einige Länder kein verbleibendes Budget mehr vorhanden, sodass reiche Länder quasi sofort jegliche CO2-Emissionen einstellen müssten. Da das unrealistisch ist, muss von diesem Prinzip abgewichen werden. Eine Verteilung des Budgets anhand der Bevölkerungszahl unter Vernachlässigung historischer Emissionen (das, wie gesagt, einem Kompromiss zwischen den Interessen armer und reicher Ländern entspricht), entspricht auch einem einleuchtenden, für alle leicht verständlichen Prinzip: das verbleibende Budget wird zu gleichen Teilen an alle Menschen auf der Welt verteilt.

Wird nun dieses Verteilungsprinzip genutzt, so verbleibt für Deutschland ab 2020 noch ein CO2-Budget von 4,2 Gt. Bei gleichbleibenden Emissionen auf dem Niveau von 2019 wäre das Budget im Jahr 2026 verbraucht. Wenn die Emissionen linear auf Null reduziert werden und das Budget dabei eingehalten werden soll, müsste Deutschland bereits 2032 CO2-neutral sein. Die Studie des Wuppertal-Instituts nutzt das Zieljahr 2035. Um damit das Budget noch einzuhalten, müssen kurzfristig die Emissionen noch deutlich schneller als nur linear reduziert werden, sodass das Budget bis 2035 ausgedehnt werden kann.

Bisher basieren die deutschen Klimaziele nicht auf einem konkreten CO2-Budget. Bis 2030 sind die Klimaziele für die meisten Sektoren jahresscharf ausdifferenziert, sodass man bis 2030 eine Treibhausgasemissionsmenge berechnen kann (also ein implizites Budget, allerdings nicht nur für CO2, sondern für alle Treibhausgase). Über 2030 hinaus ist der Reduktionspfad aber noch unklar. Daher hat der SRU der Bundesregierung empfohlen, ein Paris-kompatibles Budget als Basis der Klimaziele zu wählen und transparent darzustellen, nach welcher Verteilungslogik vorgegangen wurde. Die Klimaziele sollen nicht ersetzt, sondern an die neue Zielgröße angepasst werden. Die vom SRU berechneten Werte (die für 1,5 °C und für deutlich unter 2 °C (mathematisch als 1,75 °C ausgedrückt) berechnet wurden) stellen nur eine Interpretation eines Paris-kompatiblen Budgets dar, der SRU hat daher der Bundesregierung empfohlen den ebenfalls von der Bundesregierung berufenen Expertenrat für Klimafragen damit zu beauftragen, ein CO2-Budget für Deutschland vorzuschlagen.

In anderen Ländern gibt es CO2-Budgets bereits. In Großbritannien schlägt das Climate Change Committee (CCC) alle fünf Jahre ein Budget für die nächsten fünf Jahre vor. Bisher ist die Regierung dieser Empfehlung immer gefolgt. Da die Budgets dort aber immer nur für fünf Jahre gelten, ist die Paris-Kompatibilität aber unklar.

Die Bundesregierung lehnt bisher die Einführung von CO2-Budgets ab. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist mehrfach Nachfragen dazu ausgewichen (Kommentar von Stefan Rahmstorf auf Spiegel online). Der Verweis, dass das Pariser Klimaabkommen keine Budgets enthält, ist, wie oben gezeigt, nicht haltbar. Ein globales CO2-Budget ist die direkte Folge eines Temperaturziels. Um zu messen, was nun ein angemessener nationaler Beitrag zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens ist, kommt man um Erwägungen zur gerechten Verteilung des Budgets ebenfalls nicht herum. Zwar können sich Länder darauf berufen, dass im Pariser Abkommen keine Verteilung festgeschrieben ist. Die Frage, ob ein Land ausreichend zur Erreichung der globalen Klimaziele beiträgt, ist aber eine Frage nach dem Verteilungsschlüssel des globalen CO2-Budgets.

Damit geht es letztendlich um zwei Punkte: Verteilungsgerechtigkeit und Transparenz. Verteilungsgerechtigkeit, weil es nicht gerecht ist, wenn Deutschland weiterhin eine überproportionalen Anteil am globalen CO2-Budget beansprucht. Transparenz, weil ohne die Definition eines nationalen Budgets nicht sichtbar wird, ob ein Land in angemessener Weise zur Erreichung der Klimaziele beiträgt.

Relevante Quellen

Special Report on Global Warming of 1,5°C des Intergovernmental Panel on Climate Change, dort insb. Table 2.2 zu den (naturwissenschaftlichen) globalen CO2-Budgets für verschiedene Wahrscheinlichkeiten und Höhen der Erwärmung

Kapitel aus dem Umweltgutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen (wissenschaftliches Beratungsgremium der Bundesregierung): Pariser Klimaziele erreichen mit dem CO2-Budget

Studie des Wuppertal Instituts im Auftrag von Fridays for Future zur Einhaltung des 1,5 °C-Ziels: „CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5 °C-Grenze“

Kommentar von Stefan Rahmstorf auf Spiegel online zur Position der Bundesregierung zum CO2-Budget

Narrative

Klimagerechtigkeit (Sozialorientierte Gruppen)

  • Der Klimawandel ist eine Tatsache, die uns noch in den nächsten Jahrzehnten beschäftigen wird.
    • Die globalen Klimagasemissionen müssen weltweit bis 2050 um ca. 80% sinken, um riesige ökonomische Schäden, Millionen Todesopfer, Migrationsströme und potentielle Konflikte um verknappende Ressourcen wie Wasser und fruchtbares Land zu verhindern. (2)
    • Bei einem Ausbleiben von ambitionierten politischen Maßnahmen droht eine deutlich ansteigende Zahl an Extremwetterereignissen.
  • Soziale Gerechtigkeit kann nur durch ambitionierte Klimapolitik erreicht werden. Ohne ambitionierte Klimapolitik wird soziale Gerechtigkeit unmöglich!
    • Überdeutlich zeigt sich dies an der Verteilung der CO2-Emissionen über die sozialen Schichten:
      • die wohlhabendsten 1 Prozent der Weltbevölkerung hat zwischen 1990 und 2015 mehr als doppelt so viel CO2 ausgestoßen wie die ärmere Hälfte (3)
      • in Deutschland waren die reichsten 10% im Jahr 2015 für mehr CO2 Ausstoß verantwortlich als die ärmere Hälfte der Bevölkerung (3)
    • Darüber hinaus haben wohlhabendere Schichten größere Möglichkeiten sich den Umweltbelastungen zu entziehen (1) und bestimmte gesellschaftliche Gruppen werden voraussichtlich signifikanter durch die Folgen des Klimawandels (Naturkatastrophen, Kriege, Energiepreisexplosionen, zusammenbrechende Versorgungssicherheit) sozial benachteiligt werden als durch die moderaten Maßnahmen dessen Verhinderung. (2)

Beispielsweise weisen Menschen aus unteren sozialen Schichten eine höhere Krankheitswahrscheinlichkeit und Sterblichkeit auf als Bevölkerungsanteile aus den oberen sozialen Schichten. Dies macht sie in einem höheren Maße vulnerabel neuen Krankheitsüberträgern und -erregern gegenüber, welche sich durch die Klimaerwärmung begünstigt in Deutschland verbreiten werden. (1)

    • Hauptopfer werden weiterhin Entwicklungsländer und zukünftige Generationen sein, obwohl genau diese am geringsten an der Verursachung des Klimawandels beteiligt waren (2)

In Entwicklungsländern ist beispielsweise mit sozialen Verwerfungen unter anderem aufgrund des Verlusts von Lebensraum zu rechnen. (6)


(6)

    • die wirtschaftlichen Kosten des Klimawandels werden bei geringen Ambitionen gegen diesen höher als die Kosten zur Bekämpfung: 1% des BIP sind die Kosten des Handelns; 3% die Kosten des Nichthandelns (5). Über den Horizont einer Legislaturperiode hinaus betrachtet, zeigt sich nicht nur die Notwendigkeit ambitionierter Klimapolitik aus dem Blickwinkel der sozialen Gerechtigkeit heraus. Ebenfalls aus wirtschaftlicher Sicht ist eine präventive Klimapolitik günstiger als die politisch und wirtschaftlich zwingend notwendig werdenden Reaktionen auf einen fortschreitenden Klimawandel.
    • Weiterhin existieren politische Werkzeuge, welche gleichermaßen einer sozial gerechten Verteilung und der Bekämpfung des Klimawandels Rechenschaft tragen. Als Beispiele seien hier die CO2-Steuer und der Emissionshandel genannt.
    • Am Beispiel der Verkehrspolitik seien folgende Maßnahmen mit positiver Umweltwirkung und eine positiv bis neutralen sozialen Verteilungswirkung genannt (4): Förderung des ÖPNV, Mehrwertsteuersenkung für den Bahn-Fernverkehr, CO2-Preis im Verkehr.


(4)

Anmerkungen zum Emissionshandel:

  • Ein sozial gerechter Ansatz zum Klimaschutz könnte folgendermaßen aussehen: Die Klimagasemissionen werden global auf alle Staaten nach Bevölkerungszahl aufgeteilt und auf einen maximalen Gesamtausstoß gedeckelt. Rechte für national überschüssige Emissionen können anhand eines internationalen Emissionshandels erworben werden. Somit wird zum einen global mehr Gerechtigkeit bezüglich der Verursachung und Wirkung des Klimawandels hergestellt. Zum anderen könnte eine international erhöhte soziale Gerechtigkeit sich positiv auf die nationale soziale Lage in den Industrieländern auswirken, da so die Gefahr eines globalen Dumpingwettlauf um die geringsten Sozialstandards gebannt werden könnte. Ein internationaler Emissionshandel existiert bisher schon, allerdings mit zu laschen Zielen in westlichen und gar keinen Zielen in südlichen Staaten. (2)
  • Gleichzeitig wird dem Klimaschutz durch die Deckelung der globalen Klimagasemissionen Rechenschaft getragen. (2)

Quellen:

  1. Umweltbezogene Gerechtigkeit in Deutschland – Schlüns
  2. Klimawandel und soziale Gerechtigkeit (Prof. Dr. Felix Ekardt)
  3. Klimawandel und Ungleichheit – Das reichste 1 Prozent schädigt das Klima doppelt so stark wie die ärmere Hälfte der Welt
  4. Impulse für mehr Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit in der Verkehrspolitik
  5. Die Kosten des Klimawandels (Kemfert)
  6. Global aber gerecht: Klimawandel bekämpfen, Entwicklung ermöglichen

https://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=cmkUY8bU8SwC&oi=fnd&pg=PA7&dq=soziale+gerechtigkeit+Klimawandel&ots=a4eCHrDQL2&sig=Ckyyl0ZInGKzg_FarF1KrBGxoHc&redir_esc=y#v=onepage&q=soziale%20gerechtigkeit%20Klimawandel&f=false

  1. Klimawandel: eine Frage der internationalen Gerechtigkeit

weiteres Recherchepotential

  • Verlust von Arbeitsplätzen durch klimaschutzbedingten Strukturwandel und Lösungsmöglichkeiten (Beispiel Kohleindustrie: Solidarität, Umschulungsmaßnahmen, Vergleich zu anderen historischen Ereignissen)
  • Beispiele wie sozial Schwache von den Folgen des Klimawandels betroffen sein werden (Landwirtschaft, Nahrungsmittelkosten werden steigen usw.)

 

Sicherheits- und Stabilitätsnarrativ (Konservativere Gruppen)

  • “Nur durch Klimaschutz kann Sicherheit und Stabilität in Zukunft noch gewährleistet werden. Alle Bereiche des alltäglichen Lebens werden durch den Klimawandel angegriffen.”
  • Beispiele für Bereiche, in denen Sicherheit und Stabilität gefährdet sind:
    • Tourismus (Gefahren durch Naturkatastrophen, Skitourismus, o.ä)
    • Gefährdung der Netz- und Versorgungssicherheit → Ambitionierte EE Politik notwendig, um Versorgung zu gewährleisten
    • Alltägliches Sicherheitsversprechen wird in Frage gestellt durch Extremwetterereignisse, Überschwemmungen, etc.
    • Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln kann nicht mehr gewährleistet werden (Probleme in der Land- und Forstwirtschaft durch Dürren, Starkregen, Bodenerosion, Verknappung des Grundwassers, Preisanstieg bei Importen durch Rückgang der Produktion in anderen Ländern)
    • Typisch deutsche Kulturmerkmale wie weiße Weihnachten, typische Flora und Fauna, bekannte Biotope (Schwarzwald, Watt in der Nordsee, Moore) etc. sind gefährdet!)
    • Klimawandel sorgt für gesundheitliche Probleme (neue Krankheiten, Hitzetote, Stoffwechselprobleme, …)

Klimaschutz als wirtschaftliche Notwendigkeit (Wirtschaftsliberale Gruppen)

  • “Damit Deutschland weiterhin im internationalen Wettbewerb bestehen kann, brauchen wir eine ambitionierte Klimaschutzpolitik”
  • Beispiele für Bereiche in denen die deutschen Wettbewerbsfähigkeit gefährdet ist:
    • Studien haben gezeigt, dass Konsequenzen des Klimawandels teurer sind als präventive Maßnahmen
    • Wenn D jetzt keine techn. Innovationen entwickelt > wirt. Nachteil und geringere Wettbewerbsfähigkeit (EE Technik wird nicht mehr in D produziert, alle können E-Autos besser als VW, sowas in der Art)
    • Bestimmte Arbeitsplätze gehen ganz sicher verloren (zB Kohleabbau, Atomenergie, konventioneller Autobau, konventionelle Mobilität). Gleichzeitig können neue Arbeitsplätze durch progressive Klimapolitik geschaffen werden! (EE, Mobilität der Zukunft, Wasserstoff-gedöns, …)
    • Wenn D ambitioniert ist, bekommt D Standortvorteile für innovative und nachhaltige Unternehmen

Klimaschutz als individuelle politische Chance (Ambitionierte Politiker*innen)

  • Die Personen die ihre Schwerpunkte an die sich verändernde Lage anpassen und Klimaschutz oben auf ihre Agenda setzen, können langfristig auf politischen Erfolg und Einfluss hoffen.
    • Sie werden deutliche Vorteile haben, wenn Sie sich frühzeitig mit dem Thema beschäftigen und sich dafür einsetzten > Gesellschaft und äußere Bedingungen im ständigen Wandel und der Trend geht eindeutig hin zu mehr Klimaschutz
    • Als Vorreiter*in können Sie sich nicht nur in der Partei sondern auch unter Wähler*innen profilieren > je früher desto besser, denn das Thema kommt auf alle zu
    • Sie werden definitiv Nachteile bekommen wenn Sie sich gegen das Thema stellen > denn wie oben gesehen ist das Thema essentiell für das Weiterkommen (gesellschaftlich, wirtschaftlich, sozial, national und international)

Energiesektor für Klimaneutralität 2035

(MB, Stand 9.11.2020)

Anmerkungen der Autorin in Flieder ;).

Die Studie vom Oktober 2020 analysiert bisherige Ausbaupfade (alles Deutschland) der Erneuerbaren Energien (EE) und notwendige Ausbaupfade für einen Klimaneutralen Energiesektor ab 2035. Die Studie lehnt sich eng an bestehende zur Klimaneutralität bis 2050 an, und “beschleunigt” im Wesentlichen dort angenommene Pfade. Im Sektor Energiewirtschaft (aktuell: 30% der CO2-Emissionen) werden dazu insbesondere die Ausbaupfade in den Bereichen Stromerzeugung aus Erneuerbaren, Stromnetzausbau und Speicherkapazitäten und der Ausbau klimaneutraler gasförmiger und flüssiger Energieträger aufgezeigt und mit bisherigen Fortschritten verglichen.
Es zeigt sich in allen Bereichen, dass die aktuellen Ausbaupfade um ein vielfaches (teilweise GRÖSSENORDNUNGEN!) zu langsam sind – das gilt auch noch, wenn man das Ziel der Bundesregierung einer Klimaneutrale Energiewirtschaft bis 2050 annimmt.

Auch, wenn immense Investitionen in die EE und den Netzausbau für die Umsetzung nötig werden, hält die Wuppertaler Studie eine klimaneutrale Energiewirtschaft bis 2035 für erreichbar. Die wichtigsten hierfür zu meisternden Herausforderungen identifiziert die Studie wie folgt:

  • Schaffung großer gesamtgesellschaftlicher Akzeptanz beim Ausbau der Erneuerbaren (insbesondere On-Shore Wind und Netz-Ausbau)
  • Schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren
  • “Just transition”: Vermeidung sozialer Härten durch den Wegfall von Arbeitsplätzen in der fossilen Energiebranche
  • Überwindung der Vorteile der fossilen Energieträger im Energiemarkt, um EE wirtschaftlich attraktiver zu machen
  • Etablierung von CO2-neutralen gasförmigen und flüssigen Energieträgern im großen Stil (Überwinden “death valleys”, Technologie rentabel machen.)
  • Schaffung von ausreichend Kapazitäten für den Ausbau (Mensch und Material werden an Engpässe geraten.)

Die Studie weist im Kapitel über den Energiesektor wiederholt auf die Wichtigkeit entschiedenen politischen Handelns und gesellschaftlicher Akzeptanz für die Energiewende hin. Diese zu einem gesamtgesellschaftlichen Projekt mit maximalen Anstrengungen aller beteiligten Akteure zu machen, ermöglicht ein bis 2035 weitgehend CO2-neutrales Energiesystem in Deutschland (hier könnt ihr als Besuchis gut einhaken: “schafft es die CDU, die Energiewende zu einem gesamtgesellschaftlichen Projekt zu machen, so, wie ihr das mit dem Umgang mit Corona beispielhaft gelungen ist?”). Dabei wird insbesondere immer wieder darauf hingewiesen, dass die Energiewirtschaft planbare Perspektiven braucht, um sich schnell zu wandeln – technisches wird durchweg für prinzipiell lösbar gehalten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Kapitels der Wuppertaler Studie sind die zahlreichen Vorteile, die die Industrienation Deutschland durch einen klimaneutralen Energiesektor bis 2035:

  • Netz- und Anlagenbau würden eine Vielzahl qualifizierter Arbeitskräfte benötigen und damit zum Jobmotor nach einer coronabedingten Wirtschafts- flaute werden.
  • Wenn Deutschland schneller als andere Nationen mit der Energiewende ernst macht, würde das den hiesigen Energieversorgern und Technologie- Firmen einen Vorsprung auf dem Wachstumsmarkt der EE geben.
  • Ein in der Energiewirtschaft vorbildliches Deutschland hätte eine starke Verhandlungsposition bei Klimafragen – in Europa und auch international.

All das legt nahe, dass eine CO2-neutrale Energiewirtschaft bis 2035 zwar schwierig, aber nicht unmöglich zu erreichen ist, und dass das Ziel in jedem Falle lohnt.

Ausgearbeit und mit Zahlen, Fakten und Graphiken untermauert findet ihr alles im Abschnitt Hintergrund und Analyse.

Argumentationsempfehlung

  • Grundlage: 30% Emissionen aus Energiewirtschaft -> Energiewende wichtiger Pfeiler im Klimaschutz
  • Deutschland hinkt bei allen Bereichen (Energieerzeugung, Speicherung und Netzwerk, sowie synth.Gas/ Wasserstoff) hinterher (bezgl. Geschwindigkeit des Ausbaus). Das gilt
    • im Vergleich zu einem Pfad, der 2035 klimaneutral ist: Um ein Vielfaches, in allen Bereichen. Teilweise um Größenordnungen
    • Im Vergleich zu Klimaneutralität 2050: Immer noch oft um mehr als einen Faktor zwei. (Das ist wichtig zu wissen und ggf. zu betonen, wenn Jung darauf ausweicht, dass die Bundesregierung ja 2035 als Ziel gar nicht anstrebt! (plus: Es gibt SEHR gute Argumente für 2035, explizit 1.5-Grad Ziel, siehe unsere 1.5-Grad Analyse!))
    • > Was ist hier das Problem?
  • Probleme beim Ausbau (Die gleichen sich bei vielen Technologien und haben im Wesentlichen immer mit einer Mischung aus künstl. Support fossiler und Verkomplizierung bei den EE zu tun):
    • Hindernisse, z.b. Durch Abstandsregelungen beim Wind, schlechte Konditionen für Bürgerstrom, aber auch
    • Akzeptanz in der Bevölkerung
    • Teilweise fehlen Investitionen in die entsprechenden Technologien (muss sowohl von der Politik kommen, als auch für Unternehmen selbst attraktiver gemacht werden)
  • Mögliche Lösungen:
    • brauchen einen groß gedachten Ansatz und wirklich Willen und Commitment zum Umsteuern
    • sind technisch noch umsetzbar, aber es muss bald losgehen.
  • Fazit und Fragen:
    • ein Umsteuern ist noch möglich, es gibt aber nicht mehr viel Zeit (gilt auch für 2050-Ziel: Wird bei aktuellen Ausbaupfaden weit verfehlt!)
    • Was denkt Jung über ein radikales und gesamtheitliches Umsteuern in der Energiepolitik, insbesondere
      • bei der Windkraft:
        • Wie soll da Akzeptanz gestärkt werden?
        • Wie können die Ausbauziele für 2035 erreicht werden (oder für 2050, for that matter: Dafür reichts gerade auch nicht.)
        • Welche Rolle spielt die CSU? Gibt es progressive Vorschläge aus der Union – woher? Wo kommt die Blockade her?
      • bei Solarstrom: Warum wird Mieterstrom etc. nicht mehr forciert? Kann man sich da ein Umsteuern vorstellen? Was denkt er selbst? Warum vielleicht nicht/Wer blockiert?
      • Wer in der Union muss überzeugt werden, damit progressive Vorschläge mehr Wirkmacht entfalten?
      • Was sind progressive Ideen in der Union, insbesondere bezüglich Windkraft und Solarstrom?
    • Wie wird in der Union die volkswirtschaftliche Chance bewertet, die durch eine progressive Energiepolitik und damit Technologieboosts in der deutschen Industrie entstehen könnten? Insb.: Wie steht die Union zu der Aussage, dass Deutschland durch eine solch progressive Politik Technologieführerschaft in den Erneuerbaren (zurück-)erlangen könnte?
    • Was denkt Jung über das Framing, die Energiewende als Großprojekt positiv zu besetzen?
      • Auch in Anlehnung daran, dass das der Union ja bei Corona sehr gut getan hat.
      • Auch bei der Klimakrise verstehen die Menschen das Problem und wollen es im Prinzip lösen, können aber ohne Leitlinien der Politik schwer handeln.

Hintergrund & Analyse

Grundlagen und Background

Der Bericht des Wuppertal Institut vom Oktober 2020 mit dem Titel “ CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze” (im Folgenden als “Wuppertaler Studie” /”CO2-neutral 2035 – Studie” zitiert, Link im Quellenverzeichnis) beschäftigt sich mit der Frage, wie Deutschland bis 2035 klimaneutral werden kann, und zwar auf einem Reduktionspfad, der mit der Einhaltung der 1.5°C- Grenze kompatibel ist.

Diese Kompatibilität bezieht sich auf folgende Annahmen:

  1. Ab 2016 haben alle Menschen des Globus Recht auf den gleichen Anteil an noch verbleibenden maximal auszustoßenden CO2-Emissionen (equal per capita Ansatz). Daraus ergibt sich dann ein noch verbleibendes CO2-Budget für Deutschland.
  2. Ein Pfad wird als X°C-kompatibel gelabelt, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Erhöhung der globalen Jahresmitteltemperatur bei Emissionen nach diesem Pfad unter X°C bleibt, 50% beträgt (Ich muss zugeben, dass ich das eine ziemlich mutige Grenze finde! Das bedeutet, dass man im Prinzip eine Münze wirft, ob man drüber kommt oder drunter bleibt. Die Grenzen sind also keineswegs “konservativ” oder vorsichtig, sondern gehen davon aus, dass sich alles nett entwickelt…).

Anhand der verbleibenden Emissionen nutzt die Wuppertaler Studie dann Studien des Umweltbundesamtes (im Folgenden UBA), die Reduktionspfade für Klimaneutralität 2050 in einzelnen Sektoren entwickelt haben, und überträgt diese auf das Ziel 2035 (auch das ist methodisch irgendwie etwas fragwürdig: es wird davon ausgegangen, dass man im Prinzip dasselbe einfach schneller tun kann…). Die UBA-Studien lassen verschiedene Wege zum Ziel zu, wodurch auch die Wuppertaler Studie mehrere mögliche Wege zu Klimaneutralität 2035 aufzeigt, sie lässt also bei der Umsetzung vieles offen. Dabei heraus kommen Reduktionspfade für die einzelnen Sektoren und insbesondere für den Energiesektor, der aktuell etwa 30% der deutschen CO2- Emissionen verursacht(2019: 246 Mt CO2-Äq.). Zu beachten ist noch, dass die Studie nur CO2-Emissionen und nicht etwa alle klimaschädlichen Gase betrachtet, somit wird u.a. die Landwirtschaft als Sektor in der Studie nicht diskutiert! Schauen wir uns also an, was die Studie zum Energiesektor sagt.

Hinterherhinken beim Ausbau der EE, Netzwerke und Speicher, sowie klimaneutralem Gas/Flüssigkraftstoff

Erneuerbare

Der 30%-Anteil der Energiewirtschaft an den Emissionen setzt sich vor allem aus Strom- und Wärmeerzeugung zusammen. Die Strom/Wärmeerzeugung aus Stein- und Braunkohle machen davon wiederum 73% aus. Um nun die nötigen Ausbaupfade bei den Erneuerbaren bis 2035 zu bestimmen, muss zunächst zweierlei festgelegt werden:

  1. Von welchem Energiebedarf in Deutschland 2035 wird ausgegangen?
  2. Wie viel klimaneutral erzeugten Strom und andere Energieträger kann Deutschland 2035 importieren, ohne die Versorgung mit klimaneutraler Energie in den Exportstaaten zu untergraben?

Auf diese Fragen gibt es in den Studien mehrere Antworten, die alle zu verschieden Gesamtbedarfen an erneuerbar erzeugten Energien im Jahr 2035 führen. Insgesamt steigt der Stromverbrauch trotz Effizienzsteigerung in allen Szenarien, da durch die Sektorkopplung (Elektromobilität, Wärmepumpen, Elektrolyseure für die Wasserstoffwirtschaft) zusätzlicher Strombedarf entsteht.

In allen Szenarien dominieren am Ende PV- und Windenergie den deutschen Strommix, in der Regel mit mehr Wind als Sonne (weil weniger schwankend.). Notwendig wird bis zum Jahr 2035 damit ein Ausbau von PV+Onshore+Offshore Wind auf insgesamt mindestens 300 GW (funktioniert nur mit starken Importen, Suffizienz) und maximal 700 GW (wenig Importe, kaum Suffizient). Der dafür notwendige Ausbau pro Jahr beträgt entsprechend zwischen 15 GW und 40 GW, wobei das 15GW -Szenario im Grunde unrealistisch ist. Eine realistischere Untergrenze des nötigen Ausbaus liegt bei 25GW/Jahr in Wind und Sonne. Im Mittel der Jahre 2018/2019 wurde in D ein Ausbau von gerade 6 GW/Jahr erreicht. Das bedeutet, dass der Ausbau um einen Faktor 4 bis 7 schneller werden muss! Selbst wenn Deutschland erst bis 2050 klimaneutral werden will, ist übr. ein Ausbau von zumindest 8-13GW/Jahr nötig – auch demgegenüber sind wir also nur halb so schnell wie nötig!

Dabei ist insbesondere der im Vergleich zum PV-Ausbau noch stärker verlangsamte Windkraftausbau besorgniserregend, weil im Strommix am Ende idealer Weise mehr Wind als Sonne enden sollte. Für genaue Ausbauszenarien und Vergleiche mit aktuellem Ausbau: Siehe Wuppertal Studie klimaneutral 2035 (von 2020), Seiten 44-48.

Stromnetze und Speicher

Während die Autoren der Studie bei Speicherkapazitäten recht optimistisch sind (für den Fall, dass E-Autos viel genutzt werden), gibt es beim Netzausbau große Probleme:

Die Netzversorgung braucht viel mehr Stromleitungen als bisher, um die Versorgung dezentraler gestalten zu können. Es wird angenommen, dass dazu zumindest die Umsetzung der aktuellen Pläne (Netzentwicklungsplan bis 2030/35) notwendig wird. Ihren eigenen Plänen hinkt die Bundesregierung hier aber um die Hälfte hinterher! Hauptprobleme hierbei sind Akzeptanz in der Bevölkerung und langsame Planungs- und Genehmigungsverfahren.

Klimaneutrale gasförmige und flüssige Energieträger

In den betrachteten Szenarien wird von einem Bedarf an Stromerzeugung aus Gaskraftwerken zwischen 10 und 75 GW ausgegangen. Das wir nötig, damit die Versorgung mit Strom jederzeit sichergestellt werden kann. Allerdings müssen natürlich alle verwandten Gase bis 2035 klimaneutral sein. Zusammen mit Bedarfen für die Industrie bedeutet das einen Ausbau der Versorgung mit Energie aus klimaneutralen Gasen auf 400-900 TWh pro Jahr. Wenn man das auf die mindestens erzeugte Menge an Wasserstoff in Deutschland pro Jahr herunterbricht, landet man bei 150-200TWh. Es müssen dazu Elektrolyseure mit einer Kapazität von min. 70 GW geschaffen werden, die Bundesregierung plant derzeit bis 2035 maximal 10GW an – da fehlt ein Faktor 7!

Ansätze

Siehe Wuppertal Studie klimaneutral 2035 (von 2020) , Seiten 54 und 55.

Wichtige Elemente sind:

  1. Erhöhung des Ausbaus der EE (Wind+ Photovoltaik) auf min. 25-30 GW/Jahr
  2. Onshore-Wind: Überwinden von Akzeptanzproblemen durch Einbeziehen der Bürger, Beteiligung an Gewinnen, evtl. z.T. Pflicht auf Teilnahme an Auktion- en aussetzen. Eine extra Analyse zum Windkraftausbau findet ihr hier.
  3. PV Mehr Nutzungspflichten (z.B. bei Dachsanierungen, Eigentümerwechsel)
  4. Deutlich höherer CO2-Preis: rascheres Umstellen der Energiebranche erreichen.
  5. Zur Erhöhung der Bereitstellung klimaneutraler Brennstoffe: z.B. verpflichtende Beimischungsquoten
  6. Stärkung europ. Zusammenarbeit, insbesondere in Bezug auf Emissionshandel, Verhindern von Carbon Leakage,…

Insgesamtes Fazit: Lösungen sind in der Energiebranche vorhanden und prinzipiell umsetzbar, brauchen aber immensen politischen Willen und Investitionen. Inkrementelle Änderungen in der Politik werden hier nicht die notwendigen Trendwenden hervorbingen: Gebraucht wird ein ernst gemeintes und schlüssiges Gesamtkonzept!

Relevante Quellen

Wuppertal Studie klimaneutral 2035 (von 2020) Einzige Quelle hierzu. Man kann da einiges an Quellenkritik machen.

Solltet ihr Fragen zum Dokument haben: gerne an die ArgHilfe der AG Abgeordnetengespräche

Analyse EEG-Novelle

(Stand 19.11.2020, JK)

Der Gesetzesentwurf zielt auf einen beschleunigten Ausbau von und Solaranlagen ab. Bis 2030 soll dem Entwurf zufolge 65 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien kommen – noch „vor dem Jahr 2050“ soll schließlich der gesamte in der Bundesrepublik verbrauchte und produzierte Strom klimaneutral sein. Wichtigste Punkte zum Ausbau der erneuerbaren Energien:

– Windenergie: Ausbau installierter Leistung auf 65 Gigawatt im Jahr 2026 und 71 Gigawatt 2030 (1,5-2,5 GW)

– Solarenergie: Ausbau von derzeit 52 Gigawatt auf 83 im Jahr 2026 und 100 Gigawatt 2030

Dieser Ausbaupfad ist deutlich zu gering angesetzt. Mit diesen Pfaden sind die eigenen Klimaziele und erst recht das Pariser Klimaabkommen absolut nicht vereinbar. Laut BUND müsste der Anteil der Erneuerbaren 2030 bereits 75% betragen. Laut offiziellen FfF-Forderungen müssten erneuerbare Energien 2035 100% der Energieversorgung ausmachen, was also deutlich ambitionierter wäre.

Nach Berechnung von Volker Quaschning wäre man mit der EEG-Novelle auf alle Energieformen betrachtet erst bei 30% erneuerbarer Energien, was 100% bis 2050 unmöglich macht und somit auch das Pariser Klimaabkommen (Abbildung 1). Alleine für die offiziellen Ziele der Bundesregierung müsste die Ausbaugeschwindigkeit verdoppeln, für das Pariser Abkommen sogar verfünffachen. Das Problem ist, dass nur ein kleiner Teil des gesamten Energiebedarfs durch den Stromverbrauch anfällt. Da sich dieser Teil aber am einfachsten auf erneuerbare Energien umstellen lässt, wird der Anteil des Stroms am gesamten Energieverbrauch steigen, z.B. durch den Umstieg auf Wärmepumpen und Elektro­autos entfallen fossile Brennstoffe und ein Mehrverbrauch an Strom entsteht. Daher ist ein Hauptproblem die zugrundeliegende Prognose der Bundesregierung über den zukünftigen Strombedarf. Die Bundesregierung rechnet noch immer mit einer Senkung des Strombedarfs. Durch den steigenden Strombedarf entsprächen die anvisierten 65 Prozent Anteil, den man bis 2030 an Ökostrom haben will, eigentlich 80 Prozent sein, wenn man ernsthaft auch einen realistischen Bedarf prognostiziert.

→ Durch die falsche Planung der Bundesregierung entsteht eine Ökostromlücke, um die Energiewende voranzutreiben

In den folgenden Abbildungen lässt sich das Problem gut erkennen: Bisher wird nur ein kleiner Teil des gesamten Energiebedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt. Die Ausbaugeschwindigkeiten müssen massiv erhöht werden, um die Ziele zu erreichen.

Abbildung 1: Anteil erneuerbarer Energien Gesamtendenergieverbrauch

Abbildung 2: Ausbau Solarenergie – großer Einbruch, zu langsamer Anstieg

Im Folgenden werden einzelne Maßnahmen der EEG-Novelle im Detail besprochen, die sich auf die Ausbaugeschwindigkeit (und den Erhalt) der erneuerbaren Energien auswirken. Neben einzelnen positiven Ansätzen gibt es viele Defizite, die das Erreichen der Ziele unerreichbar machen:

Positiv:

– Mehr Freiflächenphotovoltaikanlagen entlang von Autobahnen und Schienen

– Bessere finanzielle Beteiligung der Kommunen an Windausbau

– Förderung von Windkraft im windärmeren Süden

– Deckelung der EEG-Umlage durch Steuermittel auf sechs Cent zur Begrenzung der Belastung von Privathaushalten im Jahr 2021

– Beschränkung der zulässigen Größe von Freiflächenanlagen in der Ausschreibung von 10 auf 20 Megawatt Leistung

Negativ:

– Bremse für den Photovoltaikausbau durch neu geschaffene Ausschreibungspflicht für solare Dachanlagen schon ab 500 kWp Leistung à Erschwerung Eigenverbrauch für Unternehmen, muss erhöht werden

– Vergütung für neue Photovoltaikanlagen wird zu stark abgesenkt, sodass marktbedingt nur 5 GW PV pro Jahr zugebaut werden → zu wenig

– Weiterhin keine Regelung des Repowerings von Windrädern nach Ende ihrer Förderperiode

– Verhinderung des Eigenverbrauchs der Energie von älteren Anlagen, die aus der Förderung fallen

– Keine Förderung (Einspeisevergütung) sobald Strommarktpreise mehr als 1 Stunde negativ sind

o Der Zeitraum muss verlängert werden, da es sonst problematisch für EE werden kann

– Es gibt keine Förderung von Stromspeichern, diese ist absolut notwendig, um die Energiewende zu schaffen, es müssen rechtzeitig Speicherkapazitäten ausgebaut werden

– Keine Förderung für alternative Photovoltaikkonzepte wie schwimmende oder Agrophotovoltaik → können nicht mit Freiflächenphotovoltaik konkurrieren → starke Begrenzung der verfügbaren Kapazitäten

– Der weitere Rückgang der Einspeisevergütung für erneuerbare Energien muss gestoppt werden und die Einspeisevergütung wieder angehoben werden, ansonsten sind gerade kleinere Anlagen nicht wirtschaftlich, es müssen jedoch alle Potenziale ausgenutzt werden!


Fazit

Vereinzelt gibt es sinnvolle Maßnahmen zur Verbesserung, aber insgesamt sind die Ausbaugeschwindigkeiten viel zu niedrig und machen die Erreichung der Ziele unmöglich, es braucht einen viel ambitionierteren Maßstab. Es reicht eigentlich sich Abbildung 1 anzugucken, um zu erkennen, dass sich etwas grundlegend ändern muss.

Der massive Ausbau der erneuerbaren ist zugleich auch eine große Chance die Vorreiterrolle einzunehmen und gleichzeitig viele Arbeitsplätze zu schaffen, die für einen Aufschwung der Wirtschaft und der ganzen Gesellschaft sorgen können!

Relevante Quellen:

[energiezukunft][Kemfert – Deutschlandfunk][stern][FfF-Forderungen]

Der Energiecharta-Vertrag

1. Was ist der Energiecharta-Vertrag?

Der Energiecharta-Vertrag ist ein internationaler Vertrag, der speziell den Energiesektor abdeckt. Er wurde 1994 zwischen insgesamt 51 Staaten in Europa und Asien abgeschlossen.

Der Energiecharta-Vertrag enthält einerseits ein Handelsabkommen in Anlehnung an die GATT/WTO-Regeln. Zum anderen liegt ein multilaterales

Investitionsschutzabkommen vor. In der Praxis ist alleine das im Vertrag enthaltene Investitionsschutzabkommen von Bedeutung, weshalb dieses Kurzgutachten nur das Investitionsschutzabkommen näher beleuchten wird. Zunächst ist also die Frage wichtig, was ein Investitionsschutzabkommen eigentlich ist.

2. Was ist ein Investitionsschutzabkommen?

Staaten schließen Investitionsschutzabkommen, um Investitionen aus dem Ausland anzuziehen.

Wenn ein Investor aus Staat A in Staat B investiert und dort ein Atomkraftwerk baut, dann trägt der Investor aus Staat A das Risiko, dass Staat B ihn enteignet, indem das Atomkraftwerk per Gesetz stillgelegt wird. Aufgrund des Risikos einer Enteignung wird der Investor aus Staat A in Staat B nicht investieren. Wenn Staat B aber auf Investitionen aus Staat A angewiesen ist, um beispielsweise das Wirtschaftswachstum anzukurbeln, so könnten beide Staaten ein Abkommen schließen, in dem sie sich gegenseitig zusichern, Investoren aus dem jeweils anderen Staat nicht zu enteignen. Für den Fall, dass eine Enteignung im Ausnahmefall mal nicht zu verhindern sein sollte, kann abgemacht werden, dass eine Entschädigung für die Enteignung zu zahlen ist, die dem Marktpreis des Investments entspricht. Staat B könnte den Investor aus Staat A dann nicht länger im klassischen Sinne enteignen, sondern müsste dem Investor sein Investment abkaufen.

In der Praxis werden solche Verträge vielfach zwischen Staaten geschlossen und betreffen nicht nur Enteignungen, sondern jegliche regulative Veränderung, die den Wert eines Investments schmälern. So könnte beispielweise ein Investor aus Staat A, der in Staat B Windräder errichtet hat, Staat B verklagen, wenn Staat B die Einspeisetarife für Windenergie reduziert, nachdem die Windräder bereits gebaut wurden. Denn durch die Reduzierung der Einspeisetarife sinkt der Marktwert der Windräder, was man als indirekte Enteignung des Investors sehen könnte.

Ein solches Investitionsschutzabkommen, das Investoren vor Enteignung und anderen investitionsschädigenden Handlungen des Gaststaates schützt, ist im Energiecharta Vertrag enthalten. Die teilnehmenden Staaten sichern sich in dem Vertrag also gegenseitig zu, die aus anderen Vertragsstaaten herrührenden Investitionen nicht etwa durch Enteignung zu beeinträchtigen.

Was sind internationale Schiedsgerichte und warum sind sie im Zusammenhang mit Investitionsschutzverträgen von Bedeutung?

Wenn ein Investor einen Staat wegen einer vermeintlichen Enteignung auf Zahlung einer Entschädigung verklagt, stellt sich die Frage, wer den Konflikt entscheiden soll. Den Investor wird die Sorge umtreiben, dass die Gerichte des enteignenden Staates nicht objektiv entscheiden. Um diese Vorbehalte auszuräumen, sehen die meisten Investitionsschutzabkommen für den Investor ein Klagerecht vor einem internationalen Schiedsgericht vor (sog. Investor-state dispute settlement = ISDS). Diese Schiedsgerichte bestehen in aller Regel aus drei „Richtern“, von denen jeweils Einer vom Investor, ein Zweiter vom enteignenden Gaststaat und ein Dritter einvernehmlich nominiert wird.

So ist es auch beim Energiecharta-Vertrag, der im Falle von Konflikten zwischen Investoren und Staaten eine Entscheidung durch ein internationales Schiedsgericht vorsieht.

Welche Regelungen trifft der Energiecharta-Vertrag genau?

Zentrales Anliegen des Energiecharta-Vertrages ist der Investitionsschutz im Energiesektor. Die geschützten Investitionen umfassen daher sämtliche

„Wirtschaftstätigkeiten im Energiebereich“.

Dabei sichert der Energiecharta-Vertrag Investoren aus Vertragsstaaten zu, dass sie (1) vor Enteignung geschützt sind, dass sie außerdem (2) mindestens so gut wie einheimische Investoren behandelt werden und dass sie (3) fair und gerecht behandelt werden. In dem Fall, dass der Gaststaat eine dieser Pflichten verletzt, ist er zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet.

Da Schiedsgerichte nicht gehalten sind, sich nach den Entscheidungen anderer Schiedsgerichte zu richten, fehlt es an einer systematisch aufeinander aufbauenden

Rechtsprechung, die die durchaus sehr vagen Begriffe der “fairen und gerechten Behandlung“ oder der „Enteignung“ konkretisieren könnte. Deswegen ist der materielle Entscheidungsmaßstab nicht abschließend beschreibbar und mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Daher lohnt sich ein Blick auf die schiedsgerichtliche Praxis.

Welche Entscheidungen haben Schiedsgerichte in jüngerer Vergangenheit getroffen, wenn es um den Energiecharta-Vertrag ging?

Die Zahl der schiedsgerichtlichen Verfahren nimmt stetig zu. Gab es von 1998 bis 2012 im Durchschnitt 2,4 Fälle im Jahr, waren es 2013 bis 2015 durchschnittlich 15,8 Fälle pro Jahr. Von insgesamt 99 Fällen wurden 63 in den Jahren seit 2013 begonnen.

Hierzu gehören das bekannte und weiter anhängige Vattenfall-Verfahren gegen Deutschland nach dem beschleunigten deutschen Atomausstieg des Jahres 2011, aber auch eine große Zahl von Verfahren, mit denen sich Investoren aus anderen EU-Mitgliedstaaten gegen die teils rückwirkend verhängten Kürzungen der Förderung für erneuerbare Energien durch Spanien, Italien und Tschechien wehren. So wurde in diesen Fällen der ursprünglich vorgesehenen Einspeisetarif für erneuerbare Energien nachträglich reduziert. Diese Verfahren bewegen sich daher in einem Spannungsfeld zwischen einerseits der Erwartung der Investoren, dass die Ausgangslage, aufgrund derer sie ihre Investition kalkuliert haben, keinen grundlegenden Änderungen unterzogen wird und andererseits dem gesellschaftlichen Interesse daran, die Energiepolitik auch kurzfristig an die wirtschaftliche und technologische Entwicklung anpassen zu können.

Sollten sich KlimaaktivistInnen für die Kündigung des Energiecharta Vertrages einsetzen?

Diese Frage ist nicht klar zu beantworten, da das im Vertrag enthaltene Investitionsschutzabkommen mehrere Effekte hat.

Der erste Effekt ist, dass etablierte Industrien den Investitionsschutz des Energiecharta-Vertrages nutzen könnten, um Regierungsmaßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen

Brennstoffen anzufechten. Das Vattenfall-Verfahren gegen Deutschland wegen Umweltauflagen beim Bau des Kohlekraftwerks Hamburg-Moorburg ist hier ein treffendes Beispiel (Vattenfall hat mehrere Investitionsschutzverfahren gegen die BRD initiiert). Das bloße Potenzial von Schadensersatzklagen könnte die Bundesregierung davon abhalten, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen, wenn diese den Ertrag bereits getätigter Investitionen in fossile Energieerzeugung schmälern. Dies verfestigt die Energiepolitik vergangener Tage und beeinträchtigt deshalb die Fähigkeit der Bundesregierung, eine effektive Politik für erneuerbare Energien zu betreiben.

Ein gegenläufiger Effekt ist der folgende: Der Investitionsschutz des EnergiechartaVertrages könnte eine Wende hin zu erneuerbaren Energien unterstützen, indem das Risiko für Investitionen in erneuerbare Energien, das von regulativer Veränderung ausgeht, minimiert wird. Die Folge wäre, dass Investitionen in erneuerbare Energien attraktiver würden und so die Energiewende unterstützt wird. Jüngst betreffen besonders viele Schiedsverfahren die Reduzierung von Subventionen für erneuerbare Energien. Es klagen also beispielsweise Investoren, die Windräder gebaut haben, weil anschließend der Einspeisetarif für Windenergie gesenkt wird. Oberflächlich betrachtet scheint es, dass der Investitionsschutz hier einen politischen Kurs zugunsten erneuerbarer Energien verfestigt und dass die Befürworter einer Energiewende diese Entwicklung begrüßen sollten.

Allerdings bestehen an diesem zweiten Effekt einige Zweifel:

Zum einen ist unklar, ob Investitionsschutzabkommen überhaupt zusätzliche Investitionen zeitigen. Empirische Untersuchungen haben auf die Frage, ob Investitionsschutzabkommen zu mehr Investitionen führen, keine eindeutige Antwort geliefert.

Der positive Effekt für Investitionen in erneuerbare Energien könnte außerdem dadurch relativiert werden, dass Regierungen Angst haben, neue Subventionen zu verabschieden, wenn sie diese anschließend nur unter Auslösung einer Klagewelle wieder zurücknehmen können. Außerdem ist Geld, das für nicht länger notwendige Subventionen für erneuerbare Energien ausgegeben wird an anderer Stelle nicht verfügbar. Das „Einfrieren“ von finanziellen Anreizen mit den Mitteln des Investitionsschutzes könnte die Förderung erneuerbarer Energien ineffizienter machen.

Zu guter Letzt könnte man den positiven Effekt für Investitionen in erneuerbare

Energien deshalb bezweifeln, weil Anreize und Subventionen im Bereich erneuerbarer Energien allgemein von abnehmender Bedeutung sind. Sobald die Kosten erneuerbarer Energieerzeugung unter denen konventionell erzeugter Energie liegen, gibt es keinen Bedarf mehr für Subventionen und Anreize, die ihrerseits im Fall der Zurücknahme Anlass zu einer Investitionsschutzklage geben. Gerade dann, wenn dieses Szenario eintritt, ist es aber nötig, die Anreize und Subventionen zurückzunehmen, um die Ressourcen an anderer Stelle für die Bekämpfung des Klimawandels effektiver einzusetzen.

Neben Investitionsschutzabkommen gibt es außerdem eine ganze Reihe anderer Mittel, mit denen man Investitionen in erneuerbare Energien attraktiver machen kann. Es ist meiner Meinung nach daher wahrscheinlich, dass die negativen Effekte des Energiecharta-Vertrages für die Bekämpfung des Klimawandels überwiegen und eine Kündigung des Vertrages angebracht ist. Allerdings ist eine Bewertung der Folgen des Energiecharta-Vertrages im Hinblick auf den Klimawandel keine Aufgabe, für die ein (angehender) Jurist besonders gut geeignet wäre. Ökonomen sind besser in der Lage zum Gesamteffekt des Energiecharta-Vertrages fundierte Aussagen zu treffen.

Climate Clinic

Oscar Laitzsch; bei offenen Fragen: oscar.laitzsch@law-school.de

Quellen

  • Dauses/Ludwigs EU-WirtschaftsR-HdB, M. Energierecht, beck-online.
  • Sussman, Edna (2011). “The Energy Charter Treaty’s Investor Protection

Provisions: Potential to Foster Solutions to Global Warming and Promote

Sustainable Development,” in Marie-Claire Cordonier-Segger, Markus W.

Gehring, and Andrew Newcombe, eds., Sustainable Development in World Investment Law (Alphen an den Rijn: Kluwer Law International, 2011), 513– 532.

  • Theobald/Kühling, Europäisches Energierecht Europäisches Energierecht, beck-online.
  • Tienhaara, Kyla, and Downie, Christian (2018). „Risky Business? The Energy

Charter Treaty, Renewable Energy, and Investor-State Disputes.“ Global Governance: A Review of Multilateralism and International Organizations: 451471.

  • Tienhaara, Kyla (2017). “Regulatory Chill in a Warming World: The threat to Climate Policy Posed by Investor-state Dispute Settlement,” Transnational Environmental Law: 1-22, doi:10.1017/S2047102517000309.
  • Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Klagemöglichkeiten von Energiekonzernen im Rahmen internationaler Investitionsschutzverträge, 2009.

Sicherlich lesenswert, wenn man die Beziehung zwischen Investitionsschutz und Klimaschutz besser verstehen will:

  • Tienhaara, K. (2009). The expropriation of environmental governance:

Protecting foreign investors at the expense of public policy. Cambridge: Cambridge University Press.

Speziell zu der Frage, ob Investitionsschutzabkommen tatsächlich zu mehr Investitionen führen:

  • Aisbett, Emma; Busse, Matthias; Nunnenkamp, Peter (2016): Bilateral investment treaties do work: Until they don’t, Kiel Institute for the World Economy (IfW), Kiel Working Paper, No. 2021. Available at:

http://hdl.handle.net/10419/125937

  • Berger, A., Busse, M., Nunnenkamp, P., & Roy, M. (2013). Do trade and investment agreements lead to more FDI? Accounting for key provisions inside the Black Box. International Economics and Economic Policy 10, 24775.
  • Bonnitcha, J. (2017). Assessing the Impacts of Investment Treaties: Overview of the evidence. IISD Report. Available here:

https://www.iisd.org/system/files/publications/assessing-impacts-investmenttreaties.pdf

  • Bonnitcha, J. (2016). Foreign investment, development and governance: What international investment law can learn from the empirical literature on investment. Journal of International Dispute Settlement 7, 31–54.
  • Busse, M., Königer, J., & Nunnenkamp, P. (2010). FDI promotion through bilateral investment treaties: More than a BIT? Review of World Economics 146, 147–77.
  • Colen, L., Persyn, D., & Guariso, A. (2016). Bilateral investment treaties and FDI: Does the sector matter? World Development 83, 193–206.
  • Danzman, S. (2016). Contracting with whom? The differential effects of investment treaties on FDI. International Interactions: Empirical and Theoretical Research in International Relations 42, 452–78.
  • Kerner, A. & Lawrence, J. (2014). What’s the risk? Bilateral investment treaties, political risk and fixed capital accumulation. British Journal of Political Science, 44, 107–121.
  • UNCTAD. (2014). The impact of international investment agreements on foreign direct investment: An Overview of empirical studies 1998–2014.

Retrieved from: http://investmentpolicyhub.unctad.org/Upload/Documents/unctadweb-diaepcb-2014-Sep%2024.pdf

Analyse Arbeitsplatzpotential durch den Ausbau von erneuerbaren Energien

(Stand 26.04.2020)

Der Verlust von Arbeitsplätzen in strukturschwachen Regionen wird gerne als Hindernis für einen baldigen Kohleausstieg genannt. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Industrie (BMWi) zeigt jedoch, dass die Gesamtzahl an Beschäftigten in der Energiewirtschaft zwischen 2000 und 2017 beinahe konstant geblieben ist, trotz starkem Wandel in der Struktur der Energiebereitstellung hin zu erneuerbaren Energien. Eine weitere Studie des DIW zeigt des Weiteren, dass schon heute Bundesländer im Osten Deutschlands überproportional viele Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien haben, welche zu großen Teilen hochqualifizierte Berufe darstellen, die in betrieblicher Berufsausbildung in den Betrieben vor Ort selbst ausgebildet werden und somit die Region aufwerten.

Hintergrund & Analyse

Die Beschäftigtenzahlen in den erneuerbaren Energien haben sich nach einer Zusammenstellung des BMWi von 2000 (104.800 Beschäftigte) bis 2017 (316.700 Beschäftigte) mehr als verdreifacht. In dieser Entwicklung sind schon der massive Einbruch der Solarenergiebranche in 2011, sowie der stetige Rückgang innerhalb der On-Shore Windenergiebranche seit 2016 berücksichtigt. Somit kann der Ausbau von erneuerbaren Energien als Motor für neue Arbeitsplätze betrachtet werden. Eine Studie des DIW beschreibt hierbei, dass es sich hauptsächlich um hochqualifizierte Berufe handelt, welche in großen Teilen durch betriebliche Ausbildung selbst in den Betrieben vor Ort ausgebildet werden. Betrachtet man die Verteilung der Beschäftigten innerhalb Deutschlands, so zeigt sich, dass gemessen an 1000 Einwohnern, besonders Bundesländer in Ostdeutschland (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt) einen überproportionalen Anteil an Beschäftigten im Sektor der erneuerbaren Energien aufweisen (zwischen 18,8% und 26,8%, Stand 2013). Mit der stetigen Zunahme an Anlagen nimmt der Bedarf an Angestellten im Bereich Wartung und Betrieb der Anlagen stetig zu, was zum Teil den Verlust an Arbeitsplätzen im Bereich des Anlagenbaus kompensieren konnte und gleichzeitig den Aufbau von Arbeitsplätzen außerhalb der klassischen Industrie Bundesländern unterstützt, in welchen vorwiegend Unternehmen zum Anlagenbau verortet sind.

Eine Auswertung des DIW zum Zustand des Ausbaus erneuerbaren Energien in den verschiedenen Bundesländern weist darauf hin, dass Sachsen in vielen Bereichen nicht den eigenen Potenzialen gerecht wird. So liegt sowohl der Ausbau von Windkraft, als auch Bioenergie weit hinter dem Potential des Bundeslandes. Als Positivbeispiel kann jedoch die Solarenergie herangezogen werden, in der das Bundesland in Nutzung auf dem 6. Platz im Vergleich der Bundesländer ist, sowie im Zubau auf dem 4. Platz.

Zu guter Letzt zeigen verschiedene Studien zur Entwicklung der Arbeitsplätze in den erneuerbaren Energie, dass diese sehr stark von den Ausbauzielen der Bundespolitik abhängen. In einer Untersuchung des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) zeigte der Vergleich zwischen einem Ausbau konform mit dem Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) und einem Ausbau entsprechend der Ausbaupläne der einzelnen Bundesländer, welche deutlich ambitionierter waren, eine Diskrepanz von 60.000 Arbeitsplätzen (direkte und indirekte Arbeitsplätze wohlgemerkt) zwischen beiden Szenarien. Somit ist eine ambitionierter Ausbau von erneuerbaren Energien, sowie der Abbau der Ausbau Hemmnisse essentiell zum Schutz der Arbeitsplätze. Desweiteren zeigt die Untersuchung des DIW, dass für den Export von erneuerbaren Energien vorwiegend der europäische Markt wichtig für die deutschen Anlagenhersteller sind. Somit ist eine ambitionierter europäischer Ausbauplan ein weiteres Mittel die Arbeitsplätze in den erneuerbaren Energien zu schützen.

Argumentationsempfehlung

  • weist darauf hin, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien zu einem starken Zuwachs an Arbeitsplätzen geführt hat.
  • Diese Arbeitsplätze sind vorwiegend hochqualifizierte Berufe, welche in den Betrieben vor Ort ausgebildet werden, somit wird die Region mit der Ansiedlung von Unternehmen direkt aufgewertet.
  • Durch den höheren Bedarf an Unternehmen, die Anlagen betreiben und warten, können neue Arbeitsplätze nicht nur in strukturstarken Regionen angesiedelt werden, sondern dezentral überall, wo die Anlagen stehen.
  • Die Anzahl an Beschäftigten hängt stark mit den Ausbauplänen und den gesetzlichen Rahmenbedingungen zusammen. Wer Arbeitsplätze in den erneuerbaren Energien schaffen und schützen will, muss somit für einen schnellen Ausbau innerhalb von Deutschland und Europa einstehen.

Relevante Quellen

Studie des DIW: Umfassende Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, in welcher die Entwicklung von Arbeitsplätzen bis 2015 betrachtet wird und davon ausgehend weitere Entwicklungen abgeleitet werden.

Zusammenstellung des BMWi zu erneuerbaren Energien: Guter Überblick über den Stand der erneuerbaren Energien bis 2017.

Ranking der verschiedenen Bundesländer in ihren Bemühungen um den Ausbau von erneuerbaren Energien: Das DIW erstellt jährlich eine Übersicht der Bemühungen aller Bundesländer bezüglich des Ausbaus erneuerbare Energien. Nach verschiedenen Identifikatoren werden die Bundesländer dann geranked.

Studie des IÖW: Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung zeigt auf, wie unterschiedliche Ausbaupläne zwischen 2012 und 2020 sich auf die Anzahl der Beschäftigten in den erneuerbaren Energien auswirkt, sowie sich die Wertschöpfung des Sektors ändert.

Analyse Windkraftausbau: Hindernisse und Bedeutung für Energiewende

(Stand 28.04.2020, M.B.)

Um das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel von 65% erneuerbaren im deutschen Strommix 2030 sowie Reduktion der Kohleverstromung zu erreichen, ist massiver Ausbau erneuerbarer Energien (insb. Photovoltaik und Windkraft) nötig. Eine Studie von Agora Energiewende [Agora Ökostrom Lücke] zeigt: On-Shore Windkraft muss im Umfang von 4 bis 8 Gigawatt(GW) pro Jahr ausgebaut werden.

Der Ausbau von On-Shore Windanlagen brach von über 4 GW (2016/ 2017) auf unter 1 GW im Jahre 2019 ein [DIW: Mindestabstände]. Wird dies nicht wieder stark erhöht, sind für Deutschland im Jahr 2030 55% Ökostrom zu erwarten. 10% -Punkte weniger als geplant [Agora Ökostromlücke].

Das Bundeswirtschaftsministerium (i.F.: BMWi) hat 18-Punkte zur “Stärkung des Ausbaus der Windenergie an Land “[Aufgabenliste BMWi] vorgelegt, der von der Windenergiebranche zu großen Teilen begrüßt wird. Kritik gibt es allerdings für die 1000m- Abstandsregelung, die den Ausbau stark bremsen würde.

Quicklinks

Hintergrund & Analyse

In ihrer Studie vom Oktober 2019 [Agora Ökostromlücke] analysiert Agora aktuellen Stand und Trend beim Ausbau der Erneuerbaren. Ergebnis ist, dass bei einer anhalten- den Krise des Windkraftausbaus (Ausbau < 2 GW/Jahr) das Ziel, 2030 65% erneuerbare im Strommix zu haben nicht erreicht werden kann. Selbst wenn der Ausbau von Photovoltaik gleichbleibend hoch ist, und man die gewollte Sektorkopplung (Wärme, Mobilität etc. werden elektrifiziert) vernachlässigt. Um bei 65% Erneuerbare zu landen, müsste der Ausbau der Photovoltaik deutlich erhöht werden, oder Windkraftausbau zumindest wieder von 4GW/Jahr erreichen. Wichtiges Fazit der Szenarien: Ein Fortschreiten der Sektorkopplung ergibt klimapolitisch nur Sinn, wenn zugleich der Anteil der Erneuerbaren am Strommix wie geplant erhöht wird!

Die Studie zeigt, dass sich das Erreichen des Klimaziels 2030 nicht nur ökologisch lohnen würde: Deutschland hätte für alle Szenarien mit Erreichen des Ausbauziels der Erneuerbaren geringere Stromkosten und einen höheren Exportüberschuss im Energiesektor, als beibehalten des aktuellen Trends. Dies liegt daran, dass die Erneuerbaren zunehmend konventionelle(=teurere) Stromquellen aus dem Markt verdrängen und somit niedrigere Preise bewirken.

Selbst, wenn man einen eher geringen Stromverbrauch für 2030 annimmt, ist ein verstärkter Ausbau von Windenergie geboten, da ein Strommix mit viel Windenergie sowohl insgesamt günstigere als auch stabilere Strompreise bewirkt, als ein stark von Photovoltaik dominierter Mix [Agora Ökostromlücke].

Verstärkter Windkraftausbau ist also essentiell für die Energiewende [Agora Ökostromlücke].

Für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist es wichtig, den Ausbau der Windenergie im eigenen Land zu stärken: Der aktuelle Einbruch gefährdet tausende Arbeitsplätze [Zeit Windjobs ]. Zudem ist für die nächsten Jahrzehnte global mit einem verstärkten Windkraftausbau zu rechnen. Damit die deutsche Windbranche teilhaben kann, braucht sie ausreichend Kapazitäten. Industriepolitisch scheint es also fahrlässig, der aktuellen Krise der Windbranche nicht entgegen zu treten.

Der Ausbau wird derzeit vor allem von langsamen Genehmigungsverfahren, strikten Ausbauregeln und fehlenden Flächen gebremst[Zeit Windjobs, DIW: Mindestabstände] . Obwohl das BMWi mit seinem 18-Punkte Plan [Aufgabenliste BMWi] Windkraft stärken will, sollen strikte Abstandsregeln demnach bald bundes- weit gelten (mit Opt-Out Regelung..). Grund dafür ist eine erhoffte Steigerung der Akzeptanz der Bürger für Windkraft wegen dieser Regeln [DIW: Mindestabstände ].

In ihrer Studie zu den Auswirkungen von Mindestabständen auf den Windenergieausbau [DIW: Mindestabstände] beschreibt das DIW jedoch, “dass pauschale Mindestabstände die Akzeptanz von Windenergieanlagen nicht wesentlich erhöhen.” Da sie mögliche Flächen verringern, bremsen strikte Abstandsregeln also den Ausbau. Die Studie zieht als Beleg für diese These unter anderem den extremen Ausbaueinbruch in Bayern seit Inkrafttreten der 10h- Regelung heran.

Für die Akzeptanz sind nicht Abstandsregeln, sondern vielmehr “Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit” entscheiden. Daher fordert das DIW als Fazit seiner Studie eine höhere finanzielle Beteiligung der Kommunen [siehe Quellenverweise 20 und 27 in DIW: Mindestabstände] an den Gewinnen durch den Windkraftausbau. Pauschale Abstandsregeln werden als nicht hilfreich bezeichnet.

Argumentationsempfehlung

  • Wichtig zu betonen: Ohne mehr Windkraftausbau können wir 2030-Ziele (der Regierung) nicht erreichen: Es muss ums “Wie” gehen, nicht ums “Ob”.
  • Windkraft ist eine günstige und im Vergleich zur Photovoltaik gleichmäßigere Ökostromquelle -> wichtig für Preisstabilität und Versorgungssicherheit
  • Pauschale Abstandsregelung muss weg. Wichtigste Argumente hierfür:
    • Das Ziel: höhere Akzeptanz und so auf Umwegen mehr Ausbau und schnellere Genehmigungen werden nicht erreicht.
    • Potentiell verfügbare Flächen reichen nicht für den notwendigen Ausbau
  • Um mehr Akzeptanz zu schaffen: stärkere (finanzielle) Beteiligung von Kommunen am Ausbau (Beispiele Brandenburg, Dänemark, Mecklenburg-Vorpommern, (siehe Quelle 29, DIW: Mindestabstände)): Man braucht die Abstandsregeln nicht.

Relevante Quellen

Aufgabenliste BMWi, BMWi, 7.10.2019, 18 Maßnahmen inklusive Zuständigkeiten, die den Ausbau von Off-Shore Windkraft wieder ankurbeln sollen. Enthält eine Stärkere Beteiligung der Kommunen am Betrieb von Windenergieanlagen, aber auch die Umsetzung der 1000m Abstandsregelung.

Agora: Ökostromlücke: Agora Energiewende, März 2020. Analysiert verschiedene Ausbauszenarien von Erneuerbaren in Deutschland mit und ohne verstärkte Sektorkopplung bis 2030. Untersucht u.a. CO_2 Emissionen, Strompreise und Import/Export im Energiesektor. Fazit: Trendwende im Ausbau von Windenergie zwingend zur Erreichung der Klimaziele erforderlich

DIW: Mindestabstände: DIW Wochenbericht 48/2019. Analysiert die Auswirkungen des Mindestabstands auf potentielle Flächen für Anlagen und Windkraftausbau (v.A. anhand des Beispiels Bayern und 10h). Außerdem: Abstandsregeln führen nicht zu signifikant erhöhter Akzeptanz, finanzielle Beteiligung von Kommunen aber schon.

Regelungen Bundesländer: die Fachagentur Windenergie an Land stellt die Regelung zur Ausweisung von Flächen für die Windkraft in allen Bundesländern (u.a. Abstands- empfehlungen zu Wohngebieten) zusammen

Zeit Windjobs: Die Zeit berichtet über Forderungen der Windenergiebranche und Wirtschaftspolitische Zusammenhänge rund um die Ausbaukrise

Analyse Versorgungssicherheit

Kohleausstieg (Stand 18.04.2020)

Netzstabilität und Versorgungssicherheit sind Argumente, welche häufig gegen einen früheren Kohleausstieg angeführt werden – mit der Begründung dass bei derzeitigen Ausbaustand stetige Kapazität durch Erneuerbare Energieträger (EE) nicht ausreichend sei. Studien des BMWi (2017) und Agora Energiewende (2017) identifizieren jedoch Abschaltpotenzial bei gleichzeitiger Sicherstellung der Versorgungssicherheit von 7 bzw. 8,3 GW.

Hintergrund & Analyse

Die derzeitige Nettonennleistung, welche durch Stein- und Braunkohlekraftwerke in Deutschland erbracht werden beläuft sich auf insgesamt 48,5 GW (Rohdaten der Bundesnetzagentur, Stand 01.04.2020). Strom aus Kohle macht damit etwa 25% der Nettonennleistung aus, welche im deutschen Strommarkt erbracht wird, zeichnet sich gleichzeitig jedoch für 70% der CO2 Emissionen im Stromsektor verantwortlich.

Laut einer aktuellen Studie der Brandenburgischen Technischen Universität, in Auftrag gegeben durch das SPD-geführte brandenburgische Wirtschaftsministerium, besteht nicht die Möglichkeit der Abschaltung von Braunkohlekraftwerkskapazitäten bis 2023, da sonst die sichere und stabile Netzversorgung nicht gewährleistet werden könne. Die Studie wird jedoch kritisiert – unter anderem durch Hauke Hermann des Oeko-Instituts. Die Studie betrachte lediglich eine vollständige Abschaltung aller Braunkohlekraftwerke auf einen Schlag, lege ihrer Daten jedoch keine schrittweise Abschaltung zu Grunde. Eine schrittweise Abschaltung ist die realistisch empfundene Forderung von Umweltverbänden.

Ältere Studien (2017) des BMWi (Primärquelle nicht auffindbar, zusammenfassend jedoch in Studie der BTU zitiert) und von Agora Energiewende (Primärquelle nicht auffindbar, zahlreiche Sekundärquellen, hier Artikel in faz.net) legen jedoch nah, dass eine teilweise Abschaltung von Kohlekraftwerken im Umfang von 7 – 8.3 GW kurzfristig realisierbar ist. Dabei wird ausdrücklich nicht die Versorgungssicherheit und Netzstabilität berührt. Diese Ergebnisse beruhen auf der Tatsache, dass Deutschland einen vergleichsweise großen Anteil des erzeugten Stromes ins europäische Ausland exportiert – bei geringerem Export kann entsprechend die Versorgungsstabilität gewährleistet werden. Zudem zeigt eine weitere Analyse von Agora Energiewende im Oktober 2018, dass bei Stilllegung von 2 GW Kohlekraftwerksleistung pro Jahr mit Restleistung von 16 GW in 2030 und gleichzeitigem Ausbau erneuerbarer Energien zu 65% Anteil in 2030, Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann. Die Versorgungssicherheit wird dabei durch optimiertes Lastmanagement als auch durch Zubau von Gaskraftwerks-Kapazitäten als Übergangstechnologie sichergestellt. Starke Betonung sollte dabei auf “Übergangstechnologie” liegen – wenngleich die Emissionen durch Gaskraftwerke pro erbrachter Leistung unter denen von Kohlekraftwerken liegen handelt es sich weiterhin um einen fossilen Energieträger, den es zu ersetzen gilt.

Argumentationsempfehlung

  • Studie der BTU wird wahrscheinlich angeführt als neueste wissenschaftliche Arbeit zu Netzstabilität und Versorgungssicherheit: Darauf hinweisen, dass keine schlagartige Abschaltung, sondern eine direkt realisierte, jedoch schrittweise Abschaltung erfolgen soll. Dies hat die Studie nicht in Betracht gezogen.
  • Die Argumentation, man könne aus technischen Gründen der Versorgungssicherheit keine Kohlestromerzeugung vom Netz nehmen führt zum Teufelskreis: dies verhindert weiteren EE Ausbau, der jedoch gerade notwendig ist, um so schnell wie möglich sowohl auszusteigen und gleichzeitig Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Zusätzlich kommen zwei Studien, die des Bundesministeriums für Wirtschaft als auch der Agora Energiewende auf ähnliche Größenordnungen: 7-8,3 GW Nettonennleistung können gefahrlos kurzfristig abgeschaltet werden.
  • Oei et al. (Energy, 2020) kommen bezüglich des Kohleausstiegs in Deutschland zu dem Schluss, dass ein schnellerer Ausstieg wesentlich sozialverträglicher wäre, da zwar kurzfristig Arbeitsplätze rapide verloren gehen – die mittelfristige Erholung von diesem Schock jedoch schneller verläuft, basierend auf innerdeutscher Arbeitsmarktmigration und demographischen Umständen, als bei länger andauerndem Ausstieg (wie derzeit vorgeschlagen).

Relevante Quellen

Artikel auf klimaretter.info: Einschätzung einer Studie der Brandenburgischen Technischen Universität, in Auftrag gegeben durch das Wirtschaftsministerium in Brandenburg. Studie kommt zum Schluss, dass Braunkohlestrom als Brückentechnologie mittelfristig unverzichtbar ist. Wird vom SPD-geführten Wirtschaftsministerium entsprechend zitiert.

Oei et al. 2020 (TU Berlin, Universität Halle-Wittenberg, UBA) Paper zu Kohleausstieg, Hintergrund zu Kohleausstieg allgemein und genauere Modellbetrachtung soziopolitischer Folgen und daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen.

Bericht der Bundesnetzagentur zur Mindesterzeugung 2019: Fachlich sehr tiefgehender Bericht zur Mindesterzeugung und zu Schlagworten Versorgungssicherheit und konventionelle Mindesterzeugung. Aufgrund von Komplexität und fachlicher Tiefe in dieser eingehenden Analyse nicht weiter behandelt.

Gebäudesektor für Klimaneutralität 2035

(VG, 10.12.2020)

Im Folgenden werden wesentliche Erkenntnisse der Studie zum Erreichen von Klimaneutralität bis 2035 des Wuppertal Instituts von Oktober 2020 zusammengefasst. Der Fokus liegt allein auf dem Bereich „Gebäude“. Es wird davon ausgegangen, dass Leser*innen der Kontext sowie die grundsätzliche Methodik der Studie bekannt sind. Sollte dies nicht der Fall sein, können sie gerne in den anderen Dokumenten der wundervollen AG Abgeordnetengespräche herumstöbern, um einen Einblick in die Hintergründe der Studie zu bekommen.

Da davon ausgegangen wird, dass sich nicht alle Klimaaktivistis schon ausführlich mit dem hochspannenden Thema „Gebäude“ auseinandergesetzt haben, hier eine kurze Einleitung.

Warum ist das Thema überhaupt klimarelevant/ wo fallen Emissionen an? Und wie können welche gespart werden?

Besonders wichtig sind vor allem die Emissionen beim Bau und während der Nutzung. Betonbauten sind besonders CO2-intensiv, Gebäude aus Holz speichern CO2 bis zur Verrottung des Holzes. Nachhaltige Neubauten setzen also auf einen möglichst niedrigen Anteil am energieintensiven Baumaterial Beton, auch wenn Beton aufgrund seiner Praktikabilität wohl vorerst nicht vollends verschwinden wird.

Noch wichtiger sind jedoch die Emissionen, die bei der Nutzung des Gebäudes entstehen: Gebäude müssen geheizt werden, wofür heute überwiegend fossile Brennstoffe genutzt werden. Der Heizbedarf eines Gebäudes ergibt sich dabei aus dem Sanierungsstandards des Gebäudes: Je besser ein Gebäude saniert ist, desto eher ist es fähig, die natürliche Energie der Sonneneinstrahlung im Haus zu behalten und das Haus so auch während kalter Stunden warm zu halten. Die Sanierungsqualität eines Hauses wird über den KfW – Effizienzstandard angegeben. Für Neubauten gibt es die Standards 40, 40+ und 55. Die Zahl gibt dabei an, wie viel Energie im Vergleich zu einem unsanierten Gebäude noch benötigt wird – ein Gebäude mit Standard 40 braucht also nur noch 40% (60% gespart), eines mit Standard 55 noch 55% (45% gespart). Je niedriger die Zahl, desto besser. Bei Neubauten gibt es mittlerweile sogar sogenannte Passiv- und sogar PlusEnergiehäuser. Ein Passivhaus ist so gut saniert dass es so gut wie gar keine Energie mehr benötigt, PlusEnergiehäuser produzieren sogar (meist über PV-Anlagen am Haus) mehr Energie als sie benötigen. Bei Sanierungen kann momentan längst nicht so viel gespart werden, der höchste Standard bei Sanierung ist KfW55.

Die Sanierung von Gebäuden wird klimapolitisch allerdings erst notwendig, wenn die Heizung des Gebäudes auch tatsächlich auf fossilen Brennstoffen beruht. Folglich ist die zweite Option neben einer Sanierung, die Heizung durch weniger CO2-intensiven Technologien zu ersetzen. Zu diesen Technologien zählen zum Beispiel Wärmepumpen, solarthermische Kollektoranlagen oder grüne Nah- bzw. Fernwärme.

Und schließlich besteht auch die Möglichkeit, bestehende Heizungen nicht mehr mit fossilen Brennstoffen, sondern alternativen Energieträgern zu beheizen. Da Biobrennstoffe aus bekannten Gründen (Flächenverbrauch, Menschenrechtsverletzungen, Flächenkonkurrenz mit Nahrung) nicht zu empfehlen sind, liegt die Hoffnung hier auf synthetische Energieträgern.

Zum Schluss sollte berücksichtigt werden, dass bei allen Debatte über Energieeffizienz diese ja immer nur ein Einsparungspotential gegenüber dem Bedarf misst. Eine Einsparung an Bedarf (z.B. durch eine Verringerung der bewohnten Fläche pro Kopf) hat ebenso Auswirkungen auf die Emissionen im Gebäudebereich.

Ergebnisse der Studie

Im Folgenden werden die wesentlichen Ergebnisse der Studie zusammengefasst.

Sektorbeschreibung

Der Gebäudesektor war 2018 für 15% der deutschen THG-Emissionen verantwortlich. Am Endenergieverbrauch haben Gebäude sogar einen Anteil von 40%. Hier ergibt sich eine direkte Verbindung zur Energiewende: Diese erfordert unter anderem auch eine Reduzierung eben jenes Endenergieverbrauchs, wozu der Gebäudesektor dann einen Beitrag leisten kann. Die Studie argumentiert, dass die größte Herausforderung die Dekarbonisierung des Wärmebedarfs ist (also Heizen, Warmwasser), da dieser 74% der Endenergie ausmacht. Wo die übrigen 26% herkommen wird jedoch nicht genannt.

Im Vergleich zu anderen Sektoren konnten die Emissionen im Gebäudesektor bereits vergleichsweise gut gesenkt werden. Seit 1990 ist eine Minderung um 40% festzustellen. Dieser Pfad flacht seit 2014 jedoch ab, und sowohl bei den selbstgesteckten Zielen als auch bei der Erreichung dieser Ziele hinkt die Bundesregierung hinterher. Die Sanierungsrate zum Beispiel liegt momentan bei 1%, sollte nach Bundesregierung jedoch bei 2% und müsste für Klimaneutralität 2035 sogar bei mindestens 4% liegen. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Wärme liegt bei nicht einmal 15%, dafür kommen fast 75% aus fossilen Brennstoffen (Öl, Gas) und noch einmal 10% aus der Fernwärme.

Was muss also geschehen?

Theoretisch wäre es denkbar, den gesamten Energiebedarf über synthetische Kraftstoffe zu decken. Das ist laut der Studie allerdings technologisch mit enormen Unsicherheiten in Bezug auf Machbarkeit verbunden, sprich absolut utopisch. Statt einer Versorgung mit alternativen Energieträgern muss der Weg über eine Senkung des Primärenergiebedarfs führen. Diese Senkung kann in erster Linie durch eine deutlich erhöhte Sanierungsrate erfolgen.

Bei der Sanierung von Gebäuden sind zwei Faktoren zu beachten: Quantität und Qualität. Quantitativ muss der Anteil an Gebäuden, die jährlich saniert werden, auf mindestens 4% steigen, eine Steigerung um den Faktor 4. Qualitativ ist darauf zu achten, dass unbedingt die höchsten Energiestandards eingehalten werden, also ein Upgrade auf ein Passivhaus oder (bei Sanierungen) zumindest auf KfW55. Neubauten sollten grundsätzlich nur noch als Passiv- oder Plus Energiehäuser gebaut werden. Dies ist auch deshalb unbedingt geraten, da ein heute saniertes Gebäude erst einmal auf 30 Jahre nicht mehr angetastet werden wird, sprich wer heute nur auf KfW 85 upgraded, wird in 10 Jahren nicht einfach so nochmal upgraden, weil das deutlich teurer ist als gleich auf KfW 55 zu gehen. Eine derartige Steigerung der Sanierungsrate wäre beispiellos und auch zur Zeit gar nicht zu stemmen, weil die Handwerker*innen dazu fehlen. Eine Ausbildungsoffensive ist also dringend nötig.

Neben der Erhöhung der Energieeffizienz als wichtigster Maßnahme stellt sich dennoch die Frage, mit welchem „Treibstoff“ der Restbedarf geheizt werden soll. Eine Abkehr von Ölheizungen ist dabei zwingend. Die Bundesregierung hat einen Einbaustopp für Ölheizungen ab 2026 beschlossen, für Klimaneutralität 2035 müsste dieser jedoch sofort erfolgen und auch den Energieträger Gas – und nicht nur Öl – einschließen. Die Wärmeversorgung würde dann vor allem über Wärmepumpen, solarthermische Kollektoranlagen oder grüne Nah- bzw. Fernwärme erfolgen. Die bestehenden Heizungen, die schon installiert wurden, würden dann mit synthetischen Kraftstoffen betrieben. Da bei diesen aber nicht klar ist, wie weit sie entwickelt sein werden, aber klar ist, dass sie auf jeden Fall zu erhöhten Preisen bei Verbraucher*innen führen werden, ist ein Fokus auf Sanierung und Wärmepumpen/ Fernwärme umso wichtiger.

Nicht zuletzt argumentiert auch die Studie, dass mit einer Senkung der beanspruchten Wohnfläche pro Kopf auch der Energiebedarf und somit die Emissionen sinken würden. Die Studie nennt aber keine konkreten Zahlen, wie viel Einsparungspotential bei gewissen Entwicklungen gegeben wäre.

Somit gibt die Studie Antworten auf die ihrer Meinung nach drei wichtigen Fragen im Gebäudesektor:

Wie energieeffizient sollten die Gebäude sein? à 4% Sanierungsrate auf mindestens KfW55, besser Passivhaus oder Plus Energiehaus

Wie sollten die Gebäude beheizt werden? à möglichst nicht mit Öl und Gas, sondern mit Wärmepumpen, Nah-/Fernwärme und notfalls synthetischen Kraftstoffen Wie viel Wohnfläche ist genug? à Senkung des Wohnungsflächenbedarfs nötig

Die wichtigsten empfohlenen Maßnahmen

– Der gesetzlich vorgeschriebene Mindeststandard für Sanierungen und Neubauten sollte dringend auf mindestens KfW55/ Passiv- oder Plus Energiehäuser hoch gesetzt werden

– Sanierungen müssen finanziell gefördert und aktiv beworben werden (schon eine geringe Förderung erzielt bei hoher Bewerbung eine hohe Wirkung)

– Im Handwerk muss eine Ausbildungsoffensive gestartet werden

– CO2 muss bepreist werden

– Ein Ausstiegsfahrplan für fossile Heizungen muss erstellt werden, der auf Wärmepumpen und Fernwärme setzt und genau errechnet ab wann genau wir auf fossile Heizungen verzichten können

– Neue Wohnkonzepte (gemeinschaftliches Wohnen, Mehr-Generationen-Wohnen) entwickeln und fördern

Argumentationsstrategie

Gebäude sind gemessen an ihrem Anteil an den CO2 Emissionen ein brutal wichtiger Sektor. Ihr Vorteil ist zugleich ihr Nachteil: Sie sind kein heißes politisches Thema. Sprich, Politiker*innen könnten sich ranmachen, ohne gleich schlechte Presse zu riskieren, aber man kann sie auch nicht damit locken, dass sie mit konsequenter Gebäudeklimaschutzpolitik zum neuen Superstar werden. Aus fachlicher Sicht erscheinen aber folgende Punkte wichtig:

– enormes Potential bei der Emissionsreduktion verdeutlichen

– Ausbildungs-/ Joboffensive betonen, Chancen für den Arbeitsmarkt

– Vorteile für Bürger*innen: sanierte Gebäude sind nicht nur ökologisch nachhaltig, erhöhen Wohnkomfort & Immobilienwert, schützen vor steigenden Energiepreisen;

– Dringlichkeit und Größe der Aufgabe betonen: Jetzt zögern ruiniert uns die Ziele im Gebäudebereich vermutlich für immer, die Herausforderung 2035 ist immens

Kritik an der Studie

Folgende Punkte werden von der Studie meines Erachtens vernachlässigt:

Woher kommen denn die nicht besprochenen 26%? Wie wären sie zu mindern? Es ist verständlich, dass der Fokus auf den 74% liegt, die aus dem Wärmebedarf stammen; es wäre aber trotzdem spannend heraus zu finden, woher die verbliebenen 26% kommen und wie sie zu vermindern wären

Warum wird nicht stärker auf Neubauten eingegangen, sprich PlusEnergiehäuser und deren Schnittmengen mit erneuerbaren Energien?

Gerade PlusEnergiehäuser leisten einen Beitrag zur Wärme- und zur Energiewende, weil sie oft über PV-Anlagen ihren Energieüberschuss herstellen. Warum liest sich darüber in der Studie nichts? Ist das Einsparpotential so gering?

Warum wird sich nur auf eine Reduzierung des Primärenergiebedarfs gestützt? Häuser sind in mehreren Schritten energieintensiv, auch beim Bau, bei der benötigten Zusatzinfrastruktur (z.B. Straßen) etc. Warum hat sich das WIK gegen solche ganzheitliche Perspektiven auf Gebäude entschieden? Eine mögliche Forderung wäre z.B. Investitionsaufträge nur noch an Lebenszyklusbilanzen statt an kurzfristige Investitionen oder die Effizienz der Dichtung zu koppeln

Was sind konkrete Einsparpotentiale durch neue Lebens-/ Wohnformen? Wie ändern sich dadurch die benötigten Einsparungen in anderen Bereichen? Neue Lebens- und Wohnformen werden zwar als sinnvoller Schritt angesehen, die Auswirkungen verschiedener Pfade auf die sonstigen vorgeschlagenen Maßnahmen jedoch nicht diskutiert

Quellen

Wuppertal Studie klimaneutral 2035 (von 2020), Abschnitt „Gebäude“ (S. 89-101)

Lieferkettengesetz

• “Die Bundesregierung hat mit dem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, kurz NAP, zunächst auf eine freiwillige Selbstverpflichtung gesetzt. Jetzt zeigt sich aber: Das reicht nicht aus. Der Stand der freiwilligen Umsetzung wurde durch ein Monitoring überprüft und die repräsentativen Erhebungen 2019 und 2020 sind ernüchternd: Nur etwa eines von sieben Unternehmen erfüllt die Anforderungen. Für den Fall, dass bis zum Jahr 2020 nicht mindestens die Hälfte der in Deutschland ansässigen Unternehmen mit über 500 Beschäftigten die NAP-Anforderungen umsetzen, wurde im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Bundesregierung national gesetzlich tätig wird und sich für eine EU-Regulierung einsetzt. Aktuell diskutieren daher verschiedene Bundesministerien die Eckpunkte einer verbindlichen Regelung.”

• Gesetz 2021 zu “menschenrechtliche Sorgfaltspflichten in globalen Wertschöpfungsketten” wahrscheinlich

• “Der strittigste Punkt betrifft die Frage nach der zivilrechtlichen Haftung. Eine pauschale Haftung für Menschenrechtsverletzungen sehen die derzeitigen Vorschläge explizit nicht vor. Betroffene sollen jedoch Schadensersatzansprüche vor deutschen Gerichten geltend machen können. […]

• Die Beweislast obliegt dem Kläger. Kommt ein Unternehmen seinen Sorgfaltspflichten nach und betreibt ein angemessenes Risikomanagement, hat es hier allerdings nichts zu befürchten. Denn in diesem Fall mangelt es an der Grundlage einer Klage – selbst im Fall einer tatsächlich eingetretenen Menschenrechtsverletzung. Der Entwurf sieht somit keine Erfolgs-, sondern eine Bemühungspflicht vor.” – ziemlich mau: Wie klagt man wenn man hart ausgebeutet wird. Welche Firma ist am Ende überhaupt Auftraggeber, …

• “Mit dem NAP-Prozess hätte sich die Bundesregierung zu einer besseren Regulierung des Zertifizierungssektors verpflichten können. Sie hätte verbindliche Sorgfaltspflichten von Unternehmen einführen können – und zwar auch für die Aktivitäten von deren Tochterunternehmen und Zulieferbetrieben im Ausland.”

Komission ist aufgefordert aktiv zu werden.

• “Mit verbindlichen nationalen Regeln kann Deutschland Maßstäbe für die Verhandlungen um ein Sorgfaltspflichtengesetz auf EU-Ebene setzen. Damit käme Deutschland als führende Wirtschaftsnation, die auch stark vom internationalen Handel profitiert, schon heute seiner globalen Verantwortung nach, indem der Rechtsschutz Betroffener gestärkt würde.”

• private Zertifizierung reicht nicht. Bestechung über Prüfberichte üblich (siehe Dammbruch Eisenerzmine in Brasilien 2019). Öffentliche Stellen gibt es aber meist nicht oder wurden dezimiert → Es braucht hohe Standards in der Zertifizierung

• “Seit langem bemängeln NGOs, Gewerkschaften und Wissenschaftler*innen weltweit, dass solcherlei Prüfungen die Arbeitsbedingungen im globalen Süden nicht verbessern.[5] Bestenfalls weisen die Prüfberichte auf Probleme hin, die dann aber nicht behoben werden. “

Preisdruck Hauptverursacher (wäre auch ein Ansatzpunkt → Existenzsichernde Preise, …)

Revolution der Geldpolitik nötig:

• Bisher werden arme Staaten damit erpresst keine Kredite zu bekommen, wenn sie nicht die neoliberale Politik fahren wollen, die ihnen von Ländern des globalen Nordens damit aufgezwängt werden. Solange sich daran nichts ändert, besteht eine zentrale Ursache der Problems weiter.

• Für die enormen Herausforderungen braucht es aber riesige Investitionen. Diese können nur gestemmt werden, wenn Geld da ist – und das nicht zu weiterer Ausbeutung führt, sondern an richtigen Stellen ankommt.

Zusammenfassung und Analyse des Mieterstromgesetzes

(SH, 07.06.2020, letztes Update: 14.07.2020)

Bei Mieterstrom handelt es sich um Strom der auf einem Wohnhaus oder einem Nebenhaus eines Wohnhauskomplexes gewonnen wird und direkt den Mietenden zur Verfügung gestellt wird. Dies soll ermöglichen, dass auch Menschen in urbanen Regionen sich an der Energiewende beteiligen können und die Vorteile von kostengünstigem Solarstrom für sich nutzen können [1].

Bei der direkten Verwendung des Stromes entfallen diverse Entgelte und Steuern (bspw. Netzentgelte, netzseitige Umlagen, Stromsteuer und Konzessionsabgaben), gleichzeitig wird jedoch auch noch jede erzeugte kWh mit einem Mieterstromzuschlag über 20 Jahre gefördert. Die Förderung orientiert sich an der Einspeisevergütung von normalen PV-Anlagen entsprechend des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG), wird jedoch für Anlagen bis 40 kW um 8.5 ct/kWh verringert und ab 40 kW dann um eine Differenz von 8 ct/kWh verringert [1].

Auf Grund von starkem Zubau von PV-Anlange in 2018 sind im Zuge des atmenden Deckels die Einspeisevergütungen nach dem EEG für neue PV-Anlagen deutlich gesunken, wodurch auch der Mieterstromzuschlag sank. Dieser liegt somit mittlerweile (Stand Mitte 2019) bei 2.3 ct/kWh bei einer Anlage mit 10 kW Leistung und bei 1.2 ct/kWh bei einer Anlage mit 100 kW Leistung [3].

Auf Grund von hohen Kosten für Wartung und Verwaltung der Anlagen sind diese somit oftmals nicht rentable und eine direkte Einspeisung des gesamten gewonnen Stromes wirtschaftlich sinnvoller [3].

Eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministerium [3] kommt entsprechen zum Schluss, dass die aktuelle Förderung nicht ausreichend ist, um Mieterstromprojekte als zusätzlichen Zweig des PV-Zubaus zu etablieren und fordert, sowohl den rechtlichen Rahmen klarer zu formulieren, als auch die Förderung von Mieterstrom zu erhöhen.

Argumentationsempfehlung

  • Mieterstrom ist eine Möglichkeit auch Menschen im urbanen Raum an der Energiewende zu beteiligen und kann somit soziale Ungerechtigkeit gegenüber Eigenheimbesitzern reduzieren, welche mit PV-Anlagen die vollen Vorzüge des EEG für sich in Anspruch nehmen können
  • In der aktuellen Formulierung ist die Förderung von Mieterstrom unzureichend, um eine Vielzahl von Mieterstromprojekte wirtschaftlich sinnvoll zu betreiben.
  • Es braucht zum einen eine Klarstellung des rechtlichen Rahmens, um Rechtsunsicherheit bei der Entwicklung solcher Projekte entgegen zu wirken. Des weiteren wären sogenannte Quartierlösungen, in welchen eine Vielzahl von Wohnhäusern ein gemeinsames Mieterstromprojekt realisieren, wünschenswert, sowie eine Überarbeitung der Berechnung des Mieterstromzuschlages.

Hintergrund & Analyse

Bei Mieterstrom handelt es sich um PV-Anlagen, welche sich auf oder in räumlicher Nähe zu einem Mietshaus befinden und den gewonnenen Strom den mietenden Parteien zur Verfügung stellen. Da es hierdurch nicht zu einer Einspeisung des Stromes in das Stromnetz kommt, entfallen bei einer solchen Nutzung des gewonnen Stromes diverse Stromnetzentgelte und Stromsteuern [1]. Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie kam 2017 jedoch zu dem Schluss, dass trotz dieser finanziellen Vorteile Mieterstromprojekte oftmals nicht wirtschaftlich sind, da die finanziellen Vorteile unterhalb der Mehrkosten durch Administration und Wartung der Anlagen lag, sowie das rechtliche Unsicherheiten Mieterstromprojekte unattraktiv machen [2]. Gleichzeitig zeigt die Studie ein Potential von bis zu 14 TW/h Leistung bei maximaler Ausnutzung von Mieterstromprojekten auf. Um dieses Potential auszuschöpfen rät die Studie deswegen neben der indirekten Förderung durch das Entfallen von Endgeldern, zu einer zusätzlichen direkten Förderung des Mieterstroms.

Diesem wurde in dem Mieterstromgesetz vom 25.07.2017 entsprochen. Hierbei wurde neben der indirekten Förderung des Mieterstrom ein Mieterstromzuschlag beschlossen. Dieser hängt von der allgemeinen EEG-Förderung von PV-Anlagen zusammen. So wird bei Anlagen bis 40 kW die Einspeisevergütung aus der EEG-Förderung mit einem Abschlag von 8.5 ct/kWh gezahlt (also einer Reduktion der ursprünglichen Einspeisevergütung um 8.5 c/kWh). Bei Anlagen über 40 kW gilt seit 2019 ein Abschlagsbetrag von 8.5 ct/kWh [1]. Gefördert werden Projekte bis 100 kW. Diese Förderung wird bis zu einem jährlichen Zubauvolumen von 500 MW gezahlt.

Der Mieterstromzuschlag wird sowohl auf Strom der direkt von den mietenden Parteien genutzt wird gezahlt, als auch auf Strom, welcher direkt in das Stromnetz eingespeist wird [1].

Im Jahr 2017 lagen damit der Mieterstromzuschlag zwischen 2.6 ct/kWh bei einer Anlage mit 100 kW und 3.7 ct/kWh bei Anlage mit 10 kW. Aufgrund des starken Zubaus von PV-Anlagen in 2018 ist durch den atmenden Deckel die Einspeisevergütung für neue PV-Anlagen stark gesunken, womit auch der Mieterstromzuschlag stark abnahm [3]. Stand 2019 liegen die Mieterstromzuschläge zwischen 1.2 ct/kWh bei 100 kW und 2.3 ct/kWh bei 10 kW [3]. Nach damaligen Prognosen sollte der Mieterstrom zwischen 2020 und 2021 damit entfallen.

Bei dem atmenden Deckel handelt es sich um einen Mechanismus des EEG-Gesetzes, welcher die Förderung von PV-Anlagen deckeln soll. Hierbei wird alle drei Monate der mittlere Ausbau von PV-Anlagen in den letzten 6 Monaten betrachtet. Entsprechend des sich daraus ergebenden mittleren Zubaus wird die Einspeisevergütung gesenkt, somit sinkt bei starkem Zubau die Vergütung von PV-Anlagen stärker, als bei einem geringen Ausbau. Dieser Mechanismus soll den Zubau von neuen PV-Anlagen regulieren [4].

Entsprechend der Vorgaben im EEG hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie 2019 eine weitere Studie in Auftrag gegeben, welche die Wirkung des Mieterstromgesetzes beurteilen soll.

In dieser Studie wird dargestellt, dass gerade durch die starke Absenkung der Einspeisevergütung weiterhin Mieterstromprojekte oftmals nicht wirtschaftlich sind [3]. Gleichzeitig bestehen rechtliche Unsicherheiten, welche solche Projekte unattraktiv machen. Eine Untersuchung der gemeldeten Mieterstromprojekte zeigte auch auf, dass in den letzten beiden Jahren insgesamt gerade einmal 13.9 MW an Mieterstromanlagen gebaut wurden, was deutlich hinter der Förderungsobergrenze für Mieterstromprojekte von 500 MW pro Jahr liegt.

Für die bessere Förderung von neuen Mieterstromprojekten rät die Studie zu folgenden Maßnahmen [3]:

  1. Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingung durch eine Anhebung der Vergütung
  2. Präzisierung der Regelungen zur Anlagenzusammenfassung
  3. Nachjustierung der Kopplung der Vergütung an der Einspeisevergütung
  4. Klarstellung der Zulässigkeit des Lieferkettenmodells

Im letzten Punkt geht es hierbei um die Frage, ob der Eigentümer der PV-Anlagen die Belieferung der Mietenden mit Strom an ein Energiedienstleister auslagern darf. Dies hat zum Vorteil, dass der damit einhergehende Administrative Aufwand kostengünstiger von einem großen Mieterstromanbieter getätigt werden könnte. Da dies in der aktuellen Gesetzgebung nicht möglich ist, wird stattdessen oftmals die komplette PV-Anlage an einen Energiedienstleister verpachtet, was wiederum zu zusätzlichen administrativen Kosten führt [3].

Die oben genannten Punkte wurden sowohl in einem Gesetzesentwurf der SPD, als auch in einem Antrag der Grünen aufgegriffen. Der Gesetzesentwurf der SPD, welche an das Bundeswirtschaftsministerium weitergeleitet wurde, ist jedoch noch nicht dem Bundestag vorgelegt worden. Der Antrag der Grünen, welche noch weitere Förderungen für Solarstrom beinhaltet hat, wurde auch mit den Stimmen der SPD abgelehnt (letzter Abschnitt).

Relevante Quellen

Aufführung und Erläuterung der wichtigsten Quellen.

[1] Mieterstrom: Energiewende im eigenen Haus: Informatiosseite des BMWi zum Mieterstrom

[2] Studie im Auftrag des BMWi zur Wirtschaftlichkeit und den rechtlichen Rahmen von Mieterstromgesetzen vor der Einführung des Mieterstromgesetzes.

[3] Studie im Auftrag des BMWi zur Evaluierung des Mieterstromgesetzes.

[4] Studie der HTW zur Wirkung des atmenden Deckels auf die Wirtschaftlichkeit von netzeinspeisenden PV-Anlagen

Analyse Auswirkungen Klimawandel auf die Bodenseeregion

(MB (RS), Stand 14.05.2020)

Neben Risiken für Wohlbefinden und Gesundheit, die der Klimawandel auch in der Bodenseeregion birgt, gibt es zwei große Themen: Zum Einen ist die Nutzung des Bodensees und das Ökosystem des Sees in Gefahr. Das findet eine vom Baden- Württembergischen Umweltministerium in Auftrag gegebenen Studie [2]. Dies birgt Risiken für Biodiversität, Fischereiwirtschaft, sowie Qualität, Versorgungs- sicherheit und Preisstabilität beim Trinkwasser.

Zudem steigt laut einer Studie des BMEL [3] der Anpassungsdruck auf die Land- wirtschaft der Bodenseeregion (besonders Obstbauern), vor allem durch häufige Hitze- und Trockenperioden. Einige traditionelle Sorten können in Zukunft (teils schon jetzt) nicht mehr angebaut werden [1]: Bauern müssen ihre Produktion umstellen.

Die Region ist also verletzlich gegenüber Veränderungen durch den Klimawandel. Verantwortungsbewusste Politik muss sowohl bei Anpassung an den Klimawandel unterstützen als auch durch Klimaschutz zur Verlangsamung desselben und so zu Chancen auf Anpassung beitragen.

Hintergrund & Analyse

In einer ausführlichen Literaturrecherche und eigenen Studien zur Zukunft des Bodensees unter fortschreitendem Klimawandel untersuchten Forschungseinrichtungen in Baden-Württemberg (im Folgenden, BaWü) zusammen mit Wasserbetrieben rund um den Bodensee, wie sich Wasserdargebot, -Qualität, und Belastung des Wassers mit unerwünschten Stoffen in den letzten 50 bis 60 Jahren entwickelten und weiter entwickeln werden [2]. Hierfür wurde auch die Artenvielfalt und das Risiko invasiver Arten (Neobiota) im Bodensee analysiert. Wichtiges Ergebnis der Untersuchung ist, dass bereits heute Auswirkungen des Klimawandels im Bodensee nachweisbar sind:

Die durchschnittliche Wassertemperatur im Oberflächenwasser ist in den letzten 30 Jahren um etwa 1°C gestiegen. Da die Temperatur in den tiefen Wasserschichten langsamer steigt, werden die Schichten des Bodensees immer stabiler, die Durchmischung nimmt ab. Dies bewirkt eine geringerer Sauerstoffkonzentration am Seegrund[2]. Die Autoren der Studie heben hervor, dass dies mittelfristig dazu führen kann, dass sich Phosphor und Schwermetalle aus Sedimenten am Grund des Sees lösen

Zitat (im Folgenden: immer kursiv): Bei solch veränderten Milieubedingungen können Remobilisierungen z.B. von Phosphat und Schwermetallen aus dem Seesediment nicht ausgeschlossen werden.

Eine Gefahr für die Wasserqualität des Bodensees. Obwohl das Wasserdargebot des Sees im Jahresmittel wohl auch mittelfristig gleich bleibt, kommt es zu einer Verschiebung desselben von den Sommer- hin zu den Wintermonaten: Die geringeren Zuflüsse aus Schnee- und Gletscherschmelze im Frühjahr und Sommer führen damit insgesamt zu höheren Schwankungen in der Wasserversorgung des Bodensees übers Jahr hinweg [2]. Ebenfalls ein Risiko für die Wasserqualität stellen häufigere Überschwemmungen und Starkregenereignisse dar: Außerdem werden […] mittelfristig hochalpine Permafrostgebiete weiter auftauen, was […] bei […]Starkniederschlägen verstärkt zu Hangrutschungen,[…] Muren-, Schlamm- und Schneelawinenabgängen führen kann. Neben Niedrigwasserführungen sind […] Überschwemmungen in den betroffenen Gebieten bzw. am Bodensee zu erwarten [2]. Wenn solche Überschwemmung auf gedüngte Böden treffen, können sie zu einem Eintrag unerwünschter anthropogener Stoffen ins Seewasser führen. Ebenfalls mit Düngemitteln verunreinigt werden kann der Bodensee, weil das zufließende Grundwasser zunehmend mit Dünge- und Pflanzenschutzmitteln verunreinigt wird, und dies durch häufigere Trockenphasen weniger verdünnt wird[2]. Durch die erhöhte Wassertemperatur und geringere Sauerstoffkonzentration in tiefen Schichten des Sees kommt es bereits heute zur Veränderung der Artenzusammensetzung im Bodensee. Während alteingesessene Arten teils bereits aussterben, können sich neue, gegen höhere Temperaturen robustere rasch ausbreiten und so die alten verdrängen[1] . Das Ökosystem Bodensee verändert sich also bereits grundlegend .

Neue Arten könnten nicht nur zu einem veränderten Geschmack/ schlechterer Qualität des Seewassers führen[2]: Das Ausbreiten invasiver Arten im Fischbestand bedroht schon heute die Bodenseefischer [1].

Aus dem Bericht der Forschungseinrichtungen und Wasserwirtschaftsbetriebe geht her- vor, dass bei fortschreitendem Klimawandel erhebliche Kosten und Risiken auf die Wasserversorgung zukommen, und dass in jedem Falle kluge Anpassung notwendig ist [2] . Mittelfristig scheint die Versorgung mit Trinkwasser aus dem Bodensee aber ungefährdet zu sein. Klimaschutzpolitik ist notwendig, weil es Zeit braucht, um Anpassungen vorzunehmen, und ein ungebremster Klimawandel vielleicht zu wenig Zeit bietet/ exorbitante Kosten und Risiken in der Wasserversorgung verursachen würde (! Meine Folgerung.).

Wichtige Säule der Wirtschaft rund um den Bodensee ist die Landwirtschaft. Insbesondere Obst- und Weinanbau sind in der Bodenseeregion angesiedelt. Um Auswirkungen des KW auf die Betriebe in der Region zu analysieren, wurden zwei Ansätze verfolgt:

  1. Analyse einer vom BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) in Auftrag gegebenen Studie zur Entwicklung von Extremwetterereignissen und deren Auswirkungen auf die Landwirtschaft[3].
  2. Interviews mit Bauern aus BaWü, die über ihre Erfahrungen mit den Veränderungen der letzten Jahre berichten.

Zunächst hat die vom BMEL in Auftrag gegebene Studie [3] folgende Erkenntnisse zu bieten, die in Deutschland im Allgemeinen gelten:

Niederschlagsereignisse mit hohen Regenmengen treten häufiger auf, gleichzeitig nehmen Ereignisse mit geringen und mittleren Niederschlagsmengen ab (Hov Ø et al., 2013). Das bedeutet, dass in vielen Regionen sowohl mit vermehrten Risiken durch Trockenheit als auch durch Überschwemmungen zu rechnen ist. Für die Bodenseeregion mit ihrer vielen Zuflüssen aus dem Alpenraum gilt dies besonders. Gleichzeitig ist das Risiko für Trockenheit deutlich erhöht.

Steigende Jahresdurchschnittstemperaturen führen zu immer früherem Vegetations- beginn und damit zu einem erhöhten Risiko für Pflanzen, Schäden durch Spätfrost zu erfahren (Pflanzen treiben so früh im Jahr aus, dass zu diesen Zeitpunkten im Jahr ein Eintreten von Frost noch wahrscheinlich ist)[3].

Es zeichnet sich ebenfalls bereits in den Daten der letzten Jahre ab, dass Tage extremer Hitze deutlich zunehmen: “Für alle betrachteten Monate hat das Deutschlandmittel der Anzahl der heißen Tage (Tmax> 30°C) in der Vergangenheit deutlich zugenommen”[3]. Auch wenn Obstbäume wärmeliebend sind, vertragen sie anhaltende Hitze nicht gut. Da- her können vermehrte Hitzetage sowohl durch direkte Schäden an Pflanzen und Früchten als auch durch erhöhte Anfälligkeit der geschwächten Pflanzen gegen- über Schädlingen zu Ernteausfällen führen. In Bezug auf Schädlinge ist zu beachten, dass viele Schädlingsarten sich durch die erhöhten Temperaturen neu ansiedeln und generell viele Schädlinge bei erhöhten Temperaturen aktiver und somit eine Belastung für Pflanzen und Landwirte sind.

Aus der Studie [3] lässt sich für die Landwirtschaft im Bodensee auf vielen Gebieten erhöhtes Risiko für Ernteausfälle wegen Trockenheit, Hitze und Schädlingsbefall ableiten. Auch wenn einige Arten von den erhöhten Temperaturen profitieren (Weinbau wird durch den Klimawandel zunächst deutlich begünstigt!), wird es also für viele Landwirtschaftsbetriebe am Bodensee schwer, in Zeiten des Klimawandels profitabel zu wirtschaften. Insbesondere mit alten Sorten, die die Kulturlandschaft Bodensee seit Jahrhunderten prägen, werden Bauern in Zukunft kaum mehr überleben können. Eine traditionell wichtige Branche des Bodensees ist durch den Klimawandel in Gefahr.

Für die Bodenseeregion ergibt sich ein gemischtes Bild. Der Klimawandel bietet hier (gerade für die Landwirtschaft) Chancen wie Risiken. Sicher ist, dass Wandel Anpassung und deshalb Zeit braucht, wenn er nicht zu Verwerfungen führen soll. Gute Klimapolitik für diese Region bedeutet deshalb eine Mischung aus klugen Anpassungsmaßnahmen und Klimaschutz. Dieser muss verhindern, dass Temperaturen schneller steigen, als sich Menschen, Betriebe, und Ökosysteme wie der Bodensee anpassen können.

Argumentationsempfehlung

  • Ökosystem Bodensee mit Artenvielfalt und chemischem Gleichgewicht durch Klimawandel in Gefahr
  • Bereits jetzt klar: deutliche Investitionen für Gewässerschutz und Wasseraufbereitung aufgrund des Klimawandels nötig
  • Risiken auch für die Landwirtschaft: Gerade traditioneller Obstanbau und Fischerei durch erhöhte Temperaturen und Trockenheit bedroht
  • Sinnvolle Politiken müssen hier in jedem Fall:
    • kluge Anpassung an das neue, sich weiter ändernde Klima möglich machen
    • dazu essentiell: ein Klimawandel, der so langsam ist, dass für Anpassung genug Zeit bleibt – ansonsten sind Risiken schwer beherrschbar.
    • also: effektiver Klimaschutz, damit die Region eine Chance hat, weiter lebenswert und wirtschaftlich stark zu bleiben.

Relevante Quellen

[1] : Der Klimawandel bedroht die Landwirtschaft am Bodensee, Kurzer Videobeitrag im regionalen TV zu Auswirkungen des KW auf Landwirtschaft in der Bodenseeregion. Mit Zitaten betroffener Bauern.

[2]:Risikobewertung klimat. Einflüsse auf die Trinkwasserversorgung aus dem Bodensee, Studie i.A der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg(LUBW). Untersucht Auswirkungen auf lokale Wasserwirtschaft, macht ausführliche Analyse der Veränderung des Ökosystems Bodensee bei fortschreitendem KW

[3]:Agrarrelevante Extremwetterlagen u. Möglichkeiten v. Risikomanagementsystemen: Studie i.A Bundesministerium f. Ernährung/ Landwirtschaft (BMEL): Untersucht Trends in Deutschland, was Extremwetterlagen und dadurch entstehende Probleme für die Landwirtschaft , erstellt 2015: socialproof CDU/CSU (Min. unter Schmidt, CSU).

  1. Da das CO2-Budget nur CO2 berücksichtigt, aber keine anderen Treibhausgase, ist es keine perfekte Maßzahl. Zwar können auch Treibhausgasbudgets berechnet werden, allerdings bauen sich diese zum Teil deutlich schneller ab als CO2, weshalb die Budgetlogik des Ansammelns des Gases in der Atmosphäre nicht ganz passend ist.
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