Versammlungsleitungsleitfaden

LEITFADEN FÜR FFF-VERSAMMLUNGSLEITUNGEN

+++Dieser Leitfaden stellt keine juristische Beratung dar, sondern bietet lediglich eine Orientierungs- und Argumentationshilfe für Versammlungsleitungen+++

Solltet ihr auf der Demo akut Probleme haben und nicht weiter wissen, könnt ihr unser Rechtshilfetelefon jederzeit unter +49 1525 8990025 anrufen!

Was ihr immer im Kopf haben solltet…

So sehr die Polizei als Institution zu kritisieren ist und auch wenn Polizist*innen häufig autoritär auftreten:

Die Polizei ist auf der Versammlung weder euer Feind noch euer Boss.

Es ist die Verpflichtung des Staates und somit auch die der Polizei das Recht auf Versammlungsfreiheit als Grundrecht und elementaren Teil der politischen Teilhabe der Bürger*innen aktiv zu schützen.

Damit muss es auf der Versammlung erstmaloberstes Ziel der Polizei sein einen sicheren Verlauf der Kundgebung zu ermöglichen. Damit die Polizei selbst nicht in Versuchung gerät die Demo groß kontrollieren zu wollen, ist dafür in erster Linie die Versammlungsleitung zuständig, die die Versammlung mithilfe der Ordner*innen „managen“ kann.

Es ist also ratsam als Versammlungsleitung erstmal mit dem Selbstverständnis aufzutreten, dass ihr mit der Polizei kooperativ und auf Augenhöhe zusammenarbeitet um einen reibungslosen Ablauf der Versammlung zu gewährleisten.

Kontakt und Auftreten gegenüber der Polizei

Sowohl die Einsatzleitung der Polizei als auch die Versammlungsleitung sind zunächst verpflichtet zu kooperieren und miteinander in Kontakt zu sein. Polizist*innen haben dabei oft eine Tendenz autoritär aufzutreten und „Befehle“ zu erteilen. Daher ist es extrem wichtig selbstbewusst aufzutreten und von vornherein zu signalisieren, dass man sich nicht auf eine Kommunikation einlässt, die sich nicht vollkommen auf Augenhöhe befindet. Macht dabei klar, dass ihr euch euren Rechten und Kompetenzen als Versammlungsleitung bewusst seid und wisst was die Polizei wann darf.

Ebenso wichtig ist transparente Kommunikation. Die Einsatzleitung oder der*die Kontaktbeamt*in mit der*m ihr zu tun habt, ist schlussendlich ein einfacher Mensch. Da kommt es auf banale Sachen wie gegenseitigen Respekt, Umgang und Vertrauen an. Diese Faktoren sind sehr entscheidend dafür wie die Polizei am Ende reagiert, sollte es zu angespannteren Situationen kommen. Ihr solltet die Polizei in der Regel so gut es geht auf dem Laufenden halten was passiert und was eure Pläne sind. Wichtig dabei ist: informiert sie und fragt nicht nach einer Berechtigung. Wenn es Einwände gibt, werden die Beamt*innen das ansprechen und es liegt an euch zu verhandeln und Argumente auszutauschen.

Kompetenzen der Polizei

Die Polizei hat, wie oben beschrieben, in erster Linie die Aufgabe, zusammen mit der Versammlungsleitung, den sicheren Ablauf der Versammlung zu gewährleisten. Dabei ist sie grundsätzlich erstmal an die Auflagen der Versammlungsbehörde gebunden und dazu angehalten auf deren Einhaltung zu achten.

Eine Demonstration ist jedoch, gerade in Coronazeiten, ein dynamisches Geschehen in dem sich Gegebenheiten unvorhergesehen ändern können. Das rechtfertigt im Zweifel, dass die Polizei vor Ort von den Auflagen abweicht oder neue Auflagen auferlegt. Oberstes Ziel muss es dabei eigentlich immer sein, dass die Versammlung weiterhin sicher durchgeführt werden kann. Das bedeutet eine Auflösung der Demonstration ist erst dann möglich, wenn alle anderen Mittel nicht erfolgreich waren und ein Sicherheitsrisiko für Teilnehmende oder Außenstehende besteht. Ob und wann gewisse Maßnahmen der Polizei verhältnismäßig sind, sollte die Polizei bzw. die Einsatzleitung anhand bestimmter rechtlicher Kriterien und Prinzipien abwägen. Da es der Polizei oft leichter fällt euch einfach möglichst weit einzuschränken, da sie so wenig nachdenken muss und vermeintlich auf „Nummer Sicher geht“ ist es wichtig, dass ihr versucht, konsequent zu bleiben und unter Anwendung der Kriterien zu argumentieren und zu verhandeln, sollte die Polizei auf euch zugehen und Einschränkungen ankündigen bzw. in Erwägung ziehen.

Da die Entscheidung am Ende immernoch ein Mensch trifft kann diese in der Praxis leider manchmal sehr willkürlich sein. In der akuten Situation kann die sich leider sehr viel erlauben und ihr habt kaum Spielraum in der Situation dagegen vorzugehen außer indem ihr versucht das Ganze auf einer möglichst sachlichen Ebene zu halten und zu argumentieren.

Gesetze und Prinzipien

Versammlungen sind in Deutschland von dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) geschützt und haben daher einen sehr besonderen Stellenwert. Eingeschränkt werden können sie daher nur unter sehr besonderen Umständen. Das dabei bedeutendste Prinzip ist das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Bevor die Versammlungsfreiheit durch die Polizei eingeschränkt werden kann, muss immer eine Abwägung verschiedener Rechtsgüter stattfinden (zum Beispiel Recht auf Leben und Körperliche Unversehrtheit gegenüber der Versammlungsfreiheit). Dabei sind Aspekte wie Sicherheit und die Bedeutung der Versammlungsfreiheit am relevantesten aber auch Dinge wie die Tragweite der Klimakrise und das Allgemeine Öffentliche Interesse an der Thematik und FFF. Mit diesen Aspekten kann man auch immer gegen Einschränkungen argumentieren.

Was tun wenns brenzlig wird?

Wie bereits erwähnt ist die Auflösung einer Versammlung im normalfall das letzte Mittel. Durch Corona ist die Hemmung der Polizei eine Versammlung aufzulösen aber massiv gesunken. Bei der Demo ist damit zu rechnen, dass die angemeldeten Teinehmendenzahlen und damit die Teilnehmendenbegrenzungen in vielen Orten stark überschritten werden. Das kann dazu führen, dass die Polizei vorschnell meint die Demonstration auflösen zu müssen. Insbesondere dann, wenn dieInfektionsschutzmaßnahmen nicht zuverlässig umgesetzt werden. Daher ist es unheimlich wichtig insbesondere Abstandsgebot und Maskenpflicht konsequent durchzusetzen um euch möglichst nicht angreifbar zu machen.

Sollte die Polizei eine Auflösung aufgrund einer zu hohen Teilnehmer*innenzahl für nötig halten solltet ihr zunächst versuchen diese argumentativ davon zu überzeugen, dass eine Auflösung nicht verhältnismäßig ist, auch wenn die Auflage gebrochen wird. In einem solchen Fall kann man beispielsweise damit argumentieren, dass eine höhere Teilnehmer*innenzahl als erwartet der Demonstration mehr Legitimation und Gewicht gibt, da das Öffentliche Interesse noch höher ist als erwartet, was eine höhere Teilnehmer*innengrenze rechtfertigt.

Zudem könnt ihr darauf hinweisen, dass sich durch eine höhere Anzahl an Menschen das Infektionsrisiko nicht signifikant erhöht, da Infektionsschutzmaßnahmen eingehalten werden (schon gar nicht so signifikant, dass das rechtfertigen würde den Demonstrant*innen ihr Recht auf Versammlungsfreiheit zu verwehren).

Insbesondere bei Demos um und unter 1.000 Personen könnt ihr außerdem argumentieren, dass gewöhnliche Veranstaltungen, die nicht unter dem besonderen Schutz von Art. 8 GG stehen stattfinden dürfen, was bei Versammlungen eine höhere Grenze rechtfertigt. Allgemein ist es auch immer sinnvoll mit der Tragweite der Klimakrise und der hohen Bedeutung des Versammlungsrechts als elementarer Teil der politischen Teilhabe der Bürger*innen zu argumentieren.

Solltet ihr bei der Argumentation keinen Erfolg haben kann es passieren, dass die Polizei euch zunächst dazu anhält Menschen, die zur Demo dazustoßen wegzuschicken bis die Teilnehmer*innenzahl wieder im genehmigten Bereich liegt. Das ist jedoch nicht sehr leicht umzusetzen und könnte eurer Außenwirkung schaden.

Sollte das wegschicken der Teilnehmenden auch nicht erfoglrech sein, gäbe es noch die Möglichkeit, solltet ihr dazu die Kapazitäten haben, die Demonstration aufzuteilen. Das ginge indem ihr ein mit einem gewissen Abstand zur Demo, nach Absprache mit der Polizei, eine Spontandemonstration anmeldet. Diese bräuchte dann eine neue Versammlungleitung und würde, solltet ihr eine Laufdemo machen, die Route zeitlich versetzt ablaufen.

Sollte die Polizei auch diesen Vorschlag verweigern und weiterhin auf eine Auflösung beharren ist es ratsam den Anweisungen der Polizei schlussendlich zu folgen, ihnen vorher aber klar zu machen, dass sie dann die volle Verantwortung tragen und der Infektionschutz nicht mehr durch euch und eure Ordner*innen kontrolliert und umgesetzt werden kann.

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