Leitfaden Kommunikation Corona und Klima

Die wichtigsten Dos and Don’ts in Kurzform

Wir können Kommunikations-Synergie zwischen Corona und Klima aufbauen:

  • Wir müssen die Lehren aus Corona für die Klimakrise voranstellen – und es dadurch greifbarer und logischer denn je machen, dass die Klimakrise früh genug bekämpft werden muss und kann. Corona→ Krisenlehren→ mehr Klimaschutz.
  • Sprechen wir über Parallelen zwischen Corona und Klima. Sie erleichtern es der Politik, die Gelegenheit zu ergreifen und Klima umso ernster zu nehmen. Es gibt viele 📈 Parallelen und Bezüge zwischen den Krisen!
  • Sprechen wir über die bessere Zukunft mit einem Grünen Wiederaufbau, und warum die Erfahrungen mit dieser Krise zeigen, warum wir logisch zwingend in eine zukunftsfähige Wirtschaft und Gesellschaft investieren wollen

Was wir immer wieder tun sollten, weil es hilft, die aktuell häufigsten Fehler zu vermeiden:

  • Wir dürfen nicht die Krisenkonkurrenz zwischen Klima und Corona verstärken (ein Fehler ist z.B. “trotz Corona ist Klima wichtig”), denn wenn wir die Ideen von Krisentrennung und Krisenhierarchie fördern, wird die Klimakrise beiseitegeschoben.
  • Corona ist nicht “gut fürs Klima”. Coronaleid ist nicht gewollter Klimaschutz.

Diese Fehler machen gute Klimapolitik zunehmend angreifbar, das Klima wird immer unwichtiger, und fossiler Turbo wirkt wie der beste Ausweg…

Mehr Details unten, unter Zwei Kernpunkte.

Inhaltsverzeichnis

Die wichtigsten Dos and Don’ts in Kurzform

Corona und das Klima: Top 10 Grundgedanken

Zwei Kernpunkte:

Nr. 1: Krisenlehren, nicht Krisenkonkurrenz!

Nr. 2: Nicht die Krisenkonkurrenz fördern!

Mit Werten kommunizieren

Werte+Fakten haben Kommunikationserfolg, nicht Fakten allein

Grund zur Hoffnung – aber nicht in Sprach- oder Denkfallen tappen

Gute Aussagen

✅ Der Protest geht (natürlich) weiter

✅ Fordern: “Grünes” Konjunkturpaket

✅ Parallele: Natur/Ökosysteme

❗ Wichtig, aktuell zu beachten

❗ Die Coronakrise ist voller Leid, nicht Vorteile

❗ Corona ist schlecht fürs Klima, nicht gut

❗ Gemeinschaft aller Bürger*innen und freiwillige Solidarität, nicht Generationenkonflikt

❗ Pandemien sind irdisch, nicht schicksalhaft

Wortwahl: Ideen für Sprachgebrauch

Schlagkräftige Antworten zu Klima & Corona

📈 Parallelen/Bezüge zwischen den Krisen

Schnelles Wachstum der Probleme

Klimakrise steigert Pandemie-Risiko

Gesundheit, Krisen und Resilienz

Nur ein stärkerer Green Deal kann den Wiederaufbau zukunftsfähig machen

Lehren aus Corona als Gelegenheit für Politiker*innen

🌱 Wirtschaftliche Talking Points

Kernpunkte zu Wirtschaft und Corona:

Hürden für Erneuerbare abbauen

Kritisieren: Instrumentalisierung von Corona durch profitmaximierende Klimagegner

Weniger Steuern beizutragen, verschlimmert die Lage unserer Gemeinschaft

Es wird internationale Rettungspakete für den Globalen Süden brauchen

✅ Lehren aus Krisenzeiten

Wir müssen aus dieser Krise lernen

Krisenmomente haben enorme Kosten

Frühes Handeln ist günstiger

Wir müssen früh auf die Wissenschaft hören

Die Politik kann bei Krisen handeln

Den Gefahren gerecht zu werden, ist keine individuelle Frage

Corona und das Klima: Top 10 Grundgedanken

Die zehn wichtigsten Aussagen, die man in Deutschland jetzt überall hören sollte.

  1. Die Klimakrise ist eine der größten Gesundheitsgefahren dieses Jahrhunderts. “Klima schützen” heißt, unsere Gesundheit zu beschützen. Quelle: The Lancet[1]
  2. Wir haben nun alle erlebt, was ein Kipppunkt bedeutet: Wenn auf einmal Zehntausende infiziert sind, fängst du es kaum noch ein. Wir sehen seit Jahrzehnten: Das könnte auch beim Klima passieren – wenn wir nicht rechtzeitig einlenken.
  3. Krisen verhindert man mit Entschlossenheit, bevor sie kippen und man ihre Wirkung erlebt. Unentschlossene Klimapolitik ist katastrophal.
  4. Die Wirtschaft zukunftsfest aufbauen – das heißt, die Staatshilfen jetzt mit Plänen für Klimaneutralität zu verknüpfen, wäre weitsichtig – alles andere wäre fahrlässig.
  5. Eine “Investition” ist es nur, wenn es die Zukunft sicherer macht.
  6. Allen in der Regierung ist jetzt absolut klar, wie wichtig es ist, dass wir Krisen schon vorher verhindern müssen – sie handeln nur nicht genug danach. Sie lassen sich weiter von der Wirtschaftslobby für dumm verkaufen.
  7. Frühe globale Koordination hätte vielleicht das Entstehen einer Pandemie verhindern können. Die Welt muss enger zusammenarbeiten, wenn sie nicht ins Chaos stürzen will. Deutschland muss sich in der EU dafür, nicht dagegen einsetzen.
  8. Dass Frau Merkel beim Petersberger Klimadialog begonnen hat, die richtigen Lehren aus dieser Krise zu lernen – nämlich dass EU-Klimaziele erhöht werden sollen – ist der Verdienst einer wachsenden Koalition aus der ganzen Breite der Gesellschaft.
  9. Expert*innen sagen: Die Wachstumswirtschaft befeuert die Klimakrise, damit steigt das Pandemierisiko. → Klima schützen heißt, unsere Gesundheit zu beschützen.
  10. Erdbeben-Metapher: Es ist nicht klug, ein einsturzgefährdetes Haus auf dieselbe Weise aufzubauen… wenn es zusammenfiel, weil es nicht erdbebensicher war!

Zwei Kernpunkte:

Nr. 1: Krisenlehren, nicht Krisenkonkurrenz!

Klima rückt in den Hintergrund, wenn es in Konkurrenz mit Corona steht.

Von „zwei Krisen“ zu sprechen impliziert, dass es zwei getrennte Krisen gibt, also verdient die dringendere den Fokus. An sich zunächst nachvollziehbar. Langfristig bringt das natürlich mit sich, dass Klima aus dem Fokus rückt und „Wirtschaftswachstum ankurbeln = Stabilität“ in den Fokus kommt, leider pünktlich zur Bundestagswahl 2021.

Deswegen sind aktuell alle Talking Points besonders gut, die Corona und Klima zur Campaigning-Synergie führen, anstatt tiefer in einen Krisen-Wettstreit. Natürlich ohne Zusammenhänge zu suggerieren, die es nicht gibt, oder dass die Klimakrise Corona auch nur wahrscheinlicher machte – es reicht aber aus, über die Zukunft zu sprechen, d.h. Lehren aus der Krise, Parallelen zwischen Corona und Klima, und die bessere Zukunft mit einem Grünen Bailout. Erfolgreich können die „Gemeinsamkeiten“ und „Learnings aus Corona“ sein. Wir sollten einfach keinen Dualismus fördern. Man sollte auch nicht Bezüge zwischen Klima und Corona in der Vergangenheit andeuten, die es nicht gab. Aber es gibt zahlreiche Bezüge zwischen unserer jetzigen Erfahrung und unserer Zukunft, siehe unten unter ↔ Parallelen und Bezüge zwischen den Krisen

Größtes Problem ist die implizierte Krisenkonkurrenz:

Nr. 2: Nicht die Krisenkonkurrenz fördern!

  • Behauptung: Die Coronakrise sei jetzt wichtiger als die Klimakrise. Der Klimaschutz habe keine Priorität mehr, sei ein “Luxusgut”.
  • Klimaschutzmaßnahmen müssten verschoben werden, um die Wirtschaft nicht weiter zu belasten. Die Gefahr von Forderungen nach klimapolitischen “Rollback” steigt.

Nicht die politische Coronareaktion und Klimareaktion negativ kontrastieren, wie z.B.: “Wieso schafft es die Politik bei Corona zu handeln – ist aber vergleichsweise untätig beim Klimaschutz? Wieso hört die Politik plötzlich auf die Wissenschaft?”

Beispiel: „Covid-19 legt Teile der Weltwirtschaft lahm, Notenbanken senken die Zinsen, Regierungen verkünden drastische Maßnahmen. Warum funktioniert das nicht bei der ungleich gefährlicheren Katastrophe, die uns droht?“ (Der Spiegel, 08.03.2020)

Krisen sollten möglichst nicht gegeneinander ausgespielt werden. Dies ist ein schädliches Narrativ. Warum? Es macht angreifbar, alles in diese Richtung wird bereits intensiv kritisiert, und es ist vor allem etwas, das mächtige Klimagegner gerade real tun, um selbst dürftigen Klimaschutz wieder zunichte zu machen. Es ist daher besser, zu kritisieren, dass die Krise gerade jetzt von Autokonzernen und manchen Industrieverbänden genutzt wird, um Klimaschutz zu zerstören – jetzt, wo klar wird, wie wichtig es ist, früh genug gegen Krisen zu handeln (insbesondere die Klimakrise, die alle Probleme der Welt vervielfachen kann). ( → Krisenlehren zeigen auf, dass das alte System nicht funktionierte, und verstärken die Argumente für kluge Investitionen.)

Es gibt die Gefahr, dass die Einschränkungen und das Leid der Coronakrise zu eng mit erfolgreicher Abwendung der Klimakrise in Verbindung gesetzt wird. Dies ist nicht die Art von Klimaschutz, die wir wollen, auch wenn zunehmend starker Klimaschutz nötig ist.

Mit Werten kommunizieren

Werte+Fakten haben Kommunikationserfolg, nicht Fakten allein

Jeden Tag wird mit Sprache, Metaphern, und Vergleichen das gesellschaftliche Verständnis unserer Lage geprägt. Wir müssen ein zukunftsfähiges Verständnis prägen.

Die Fakten der Klima- oder Coronakrise reichen allein nicht aus. Eine gesicherte Erkenntnis der Kognitionswissenschaft ist: Fakten allein können keine Meinung ändern.

Progressive und Wissenschaftler haben tendenziell eine falsche Sicht der Vernunft gelernt, die auf die 1600er Jahre zurückgeht … die besagt, dass die Vernunft bewusst, logisch und emotionslos ist. Heute ist dies überholt. Der Mensch benutzt Werte, um Fakten nachzuvollziehen. Wir haben Tausende von Metaphern, die unsere Gehirne strukturieren. Wir denken die ganze Zeit in ihnen und sie sind nicht zufällig, sie sind nicht mythisch, sie sind Strukturen, die es uns ermöglichen, uns in der Welt zu bewegen. Wir sind darauf angewiesen, sie zu benutzen.

Es geht daher nicht allein um die Fakten der Lage an sich, sondern darum, anhand von geteilten Werten ein Verständnis zu prägen, das Menschen dabei hilft, ihnen gerecht zu werden. Uns kümmern bestimmte Dinge, und der Zusammenhang muss klar werden.

Ein Land zu “schließen” oder zu “öffnen” war eine solche sprachliche Prägung – eine zutiefst irreführende. Genau so gut hätte man sich an die Metapher gewöhnen können, dass ein Land “geschützt” ausharrt oder “ungeschützt” weitermacht – oder in wirtschaftlichem Kontext, dass man Steuern einerseits als “Beiträge” oder andererseits als “Belastung” betrachten kann (von der man “befreit” werden kann). Das sind Metaphern aus dem körperlich konkret Erlebbaren, die auf abstrakte, komplexe Situationen übertragen werden, und sie lösen unterschiedliche Interpretationsnetzwerke im Kopf aus. Wir können uns dem nicht verweigern, und müssen Sprache verwenden, die hilft, den Fakten gerecht zu werden.

Grund zur Hoffnung – aber nicht in Sprach- oder Denkfallen tappen

Klima ist zuletzt medial auf die Hälfte geschwächt[2], aber nicht „vom Tisch“.

Wir sollten nicht aus Hilflosigkeit/Hoffnungslosigkeit sprechen. Wut, Angst und Zynismus kommen dem Status Quo zugute.

Verwenden wir keine entmenschlichende Sprache, und wiederholen wir nicht die Haltungen der Gegner einer zukunftsfähigen Gesellschaft, auch nicht, um sie zu widerlegen. Geben wir dem Diskurs einen anderen Rahmen, mit den Ideen, von denen wir überzeugt sind, und Fakten, die kontextualisiert und moralisch, mit Werten verknüpft, sind. Vermeiden wir isolierte Fakten und Zahlen. Der beste Widerstand ist positiver Widerstand.

Beispiel – nicht ideal kommuniziert: „Aufmerksamkeitsökonomisch sind wir ganz weit hinten“, sagt sie, „wir haben vom Massenprotest auf den Straßen gelebt und gerade geht nicht viel auf den Straßen.“ Handelsblatt 24.04.2020

Gute Aussagen

✅ Der Protest geht (natürlich) weiter

Klimazerstörer:innen würden sich freuen, zu hören, dass wir wegen Corona mit den Streiks “aufgehört” haben. Sie werden es so oft wiederholen, bis FFF totgeglaubt wird – denn der Fokus auf das Ende eines Kapitels impliziert den Anfang vom Stillstands. Stattdessen besser: „Wir haben begonnen, online/digital zu streiken“! Corona ist jetzt das dringendste, aber die Klimakrise wird leider noch vielfach mehr Schaden anrichten, und wir müssen beim Wiederaufbau beides gemeinsam angehen. Deswegen “beginnen” wir, und “haben begonnen”, anstatt mit etwas “aufzuhören”. Diese Wortwahl macht einen mentalen Unterschied und wird langfristig wichtig. Wenn wir von aufhören sprechen, brauchen uns Klimagegner nur oft genug zu zitieren, um so zu tun, als wäre alles vorbei.

✅ Fordern: “Grünes” Konjunkturpaket

  • Die massiven öffentlichen Investitionen und Konjunkturpakete müssen auch einen Klima-Nutzen haben.
  • Noch nicht das vorherrschende Narrativ und bisher hauptsächlich in linken Medien verortet und von “grünen” Botschaftern.
  • Sinnvolles Narrativ! Es wäre wichtig, mit diesem Thema stark in den Mainstream zu

Kommen.

Beispiele:

  • „Konjunkturspritzen und Finanzhilfen wegen Corona müssen an ihren Klimafolgen gemessen werden. Das Geld muss in einen „Green Deal“ fließen.“ (Frankfurter Rundschau, 16.03.2020)
  • „Und dann wird es einen großen anderen Teil geben, da wird es um Strukturpolitik gehen, um Investitionen zur Weiterentwicklung unserer Wirtschaftsstruktur. Und da sollten wir solche Investitionen nach vorne schieben, bei denen wir sowohl die Folgen der Corona-Krise bekämpfen als auch den Klimaschutz voranbringen.“ (Interview mit Dirk Messner, Süddeutsche Zeitung, 29.03.2020)

✅ Parallele: Natur/Ökosysteme

• Gestörte Ökosysteme, der Klimawandel, enger Kontakt zu Wildtieren machen das Ausbrechen neuer Krankheiten wahrscheinlicher. Intakte Natur und Artenvielfalt schützen uns vor Krisen.

• Taucht zunehmend auf, auch in Mainstream-Medien.

• Hilfreiches Narrativ – beleuchtet Hintergründe der Krise und zeigt Lösungen auf.

„In stark gestörten Ökosystemen mit geringer Biodiversität hingegen wird eine Epidemie wahrscheinlicher – und damit auch eine Mutation, durch die irgendwann mal plötzlich die Artgrenze überschritten wird. (…) Hoffen wir, dass bei den ganzen schlimmen Auswirkungen der aktuellen Krise eines klar wird: Arten-, Umwelt- und auch Klimaschutz brauchen einen höheren Stellenwert – auch im Interesse unserer Gesundheit.“ (Interview mit Simone Sommer, taz, 31.03.2020)

❗ Wichtig, aktuell zu beachten

Es ist leicht, Menschen, die gerade sehr viel Leid erfahren, vor den Kopf zu stoßen. Natürlich müssen wir auch auf Chancen für guten Wandel, und die Verantwortung für die Zukunft achten. Hier werden die besseren Pendants zu einigen problematischen Aussagen beschrieben, die zur Zeit gemacht werden. Siehe auch weiter unten, Empfehlungen für Sprachgebrauch und Wortwahl: Empfohlener Sprachgebrauch.

❗ Die Coronakrise ist voller Leid, nicht Vorteile

Die Benefits der Corona-Krise voranzustellen, ist ein schlechter Talking Point. Für zahllose Menschen ist die Pandemie und die Wirtschaftskrise mit Leid verknüpft: Angst, Verwirrung, Arbeitslosigkeit, drohende tödliche Krankheit, Isolation – selbst wenn man solidarisch ist und guten Mutes bleibt, ist das keine Zeit, die gelobt werden sollte.

  • Vorteile der Coronakrise, wie Konsumverzicht und Isolation als Zeit der Besinnung, werden beschrieben.
  • Diese Aussage ist sehr schwierig, da es an akuten Sorgen der allermeisten Menschen vorbeigeht und radikalen Verzicht mit Klimaschutz verknüpft. Privilegierten Menschen ergeht es in jeder Krise deutlich besser, und für sie sind manche Veränderungen vielleicht positiv, aber hunderttausende Tode und viel Stress überwiegen und sollten geachtet werden – solche Aussagen lösen für leidende Menschen große Ablehnung aus.

❗ Corona ist schlecht fürs Klima, nicht gut

Corona ist insgesamt schlecht fürs Klima. Erstens, weil die Coronakrise droht, den öffentlichen Diskurs von der Klimakrise abzulenken, oder der Autolobby Gelegenheiten für einen klimapolitischen Rollback zu geben, und zweitens, weil die Emissionen insgesamt bei Wirtschaftskrisen größer werden – indem sie nach der Krise übermäßig ansteigen, wie 2008. Drittens sind auch während der Krise die Auswirkungen von Corona auf die Klimakrise winzig.

Es wird teils gesagt, Corona sei gut für das Klima, aber diese Punkte sind falsch: CO2 werde eingespart, die Luftverschmutzung gehe zurück… eine schlechte Aussage. Im Folgenden mehr zu den drei Punkten.

Corona könnte vom Diskurs ablenken

Prof. Rahmstorf dazu mit guter Argumentation: „Sich darüber zu freuen wäre zynisch, denn man möchte nicht mit zigtausenden Toten etwas für den Klimaschutz tun.

Es ist aber auch inhaltlich falsch, weil eine kurzfristige vorübergehende Emissionsminderung uns ja nicht weiterhilft. Wir müssen den Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung schaffen, soll heißen: den Umstieg von fossilen Energieträgern zu klimafreundlichen Energiesystemen. Von dieser großen Aufgabe im Kampf gegen den Klimawandel lenkt die Corona-Krise eigentlich ab. Es gibt ja schon Stimmen in der Politik, die sagen: Den Klimaschutz stellen wir jetzt hintan, wir haben jetzt drängendere Probleme. Das ist gefährlich. Natürlich haben wir jetzt eine unmittelbare Bedrohung vor Augen, das heißt aber nicht, dass die Klimakrise zweitrangig zu behandeln ist.

Es geht jetzt darum, den Anstieg der Treibhausgase in der Atmosphäre rasch zu stoppen: „Flatten the curve“ gilt hier so wie für Covid-19. Dazu braucht es entschlossene Politik.

Ein CO2-Preis entspricht einfach dem Verursacherprinzip: Wer Treibhausgase verursacht, sollte für die Folgen zahlen.

In Deutschland gibt es derzeit eine Debatte über die großen Geldsummen, die die Bundesregierung jetzt in die Wirtschaftsförderung steckt. Das wirtschaftliche Erholungsprogramm nach der Corona-Krise sollte sich dabei am europäischen Green Deal orientieren und nicht die überholten fossilen Energiestrukturen künstlich am Leben erhalten. Die Diskussion hatten wir schon 2008 im Zuge der Finanzkrise. Damals ohne Erfolg. Der Staat hatte ja mit einer „Abwrackprämie“ für Autobesitzer, die sich ein neues Fahrzeug kaufen wollten, reagiert. Das war umweltpolitisch kontraproduktiv.“

https://www.derstandard.at/story/2000116418547/klimaforscher-corona-wirtschaftsfoerderung-nur-fuer-die-die-sich-am-green

Bei Wirtschaftskrisen werden Emissionen insgesamt größer

Wenn wir früh genug entschlossene Maßnahmen in einigen Bereichen umsetzen, können wir erfolgreich verhindern, später deutlich größeren Handlungsdruck zu haben.

Die Klimawirkung ist auch während der Coronakrise minimal

Der menschliche Verstand ist nicht an kumulative Probleme gewöhnt. Wir denken, dass eine Reduzierung der Emissionen 2020 um 5% bedeutet, dass wir das Klimaproblem um 5% reduziert haben. Tatsächlich fahren wir gerade mit einem Auto auf eine Klippenkante zu, mit 95 km/h statt 100 km/h.

Ein durch Covid-19 verursachter Rückgang der Emissionen von CO₂ wird nur minimale Auswirkungen auf die atmosphärischen CO₂ Konzentrationen haben…

Atmosphärische CO₂-Konzentrationen – die ppm-Zahl, die in der Klimakrise wirklich zählt – sind eine Folge unserer vergangenen Emissionen, und selbst wenn die Emissionen bis 2020 um 5% zurückgehen, werden die Emissionen immer noch lächerlich hoch sein.

Kaum ein Unterschied: Prognose für die CO2-Konzentrationen im Jahr 2020, wie sie vom Mauna Loa Observatory in Hawaii vom UK Met Office vor der COVID-19-Pandemie gemessen wurden, sowie die Bewertung der Konzentrationen nach einer 5%igen Emissionsreduktion im Jahr 2020 durch einen (technologiefokussierten) Think Tank.

Eine bedeutsame Veränderung der atmosphärischen CO2-Konzentrationen – und eine bedeutsame „Abflachung der Kurve“ weg von hohen Erwärmungseffekten – erfordert anhaltende Emissionsminderungen über Jahre hinweg und nicht nur vorübergehende Rückgänge während Wirtschaftskrisen.

❗ Gemeinschaft aller Bürger*innen und freiwillige Solidarität, nicht Generationenkonflikt

  1. Wie z.B.: “Die jungen Leute müssten jetzt auf ihr gewohntes Leben verzichten, um die Älteren zu schützen. Dafür müssten die Älteren das Klima schützen, um die Jungen zu schützen.”
  2. Besonders verbreitet in den sozialen Medien. Auch John Schellnhuber machte diesen Fehler. Sein neuer Artikel “Was uns die Krisen lehrten” ist deutlich besser und vermeidet das Risiko, Corona zu instrumentalisieren.
  3. Schwierig dabei: Stark verkürzte Darstellung, bietet große Angriffsflächen.
  4. (Freiwillige) Solidarität sollte jetzt wichtiger sein. Damit treten wir deutlich positiver auf.
  5. Geschichten der Solidarität der FFF (Nachbarschaftshilfe, etc.) sind positiv. Wir wollen grundsätzlich, dass alle Krisen verhindert werden, und dass es den Menschen aller Generationen gut geht. Jetzt ist die Zeit, um gemeinsamen Widerstand gegen Krisen und Krisenursachen zu leisten, nicht, um Differenzen oder Abgrenzungen unter Bürger*innen und Generationen voranzustellen.

Beispiel für diesen Fehler: „Beim Kampf gegen den Klimawandel hat die Jugend hohe Ansprüche an die Gesellschaft. Im Angesicht der Corona-Krise muss die junge Generation erstmals selbst drastischen Verzicht üben – und Solidarität beweisen.“ (Die Welt, 15.03.2020)

❗ Pandemien sind irdisch, nicht schicksalhaft

Prof. Thomas Lovejoy von der United Nations Foundation und der George Mason University in den USA, der 1980 den Begriff „Biodiversität “ prägte, sagte zur Coronakrise kürzlich: „[Die Pandemie] ist nicht die Rache der Natur; [sondern] wir haben es uns selbst angetan„.

„Es ist die Folge unseres anhaltenden und exzessiven Eingriffs in die Natur, und des umfangreichen illegalen Wildtierhandels (…)“, sagte er. Siehe im Guardian: Halt destruction of nature or suffer even worse pandemics, say world’s top scientists

Daher nicht sagen: “Es ist die Erde, die es uns heimzahlt…” Das ist weder eine passende (faktisch zutreffende) noch eine politisch effektive (da ausweglose und demotivierende) Metapher.

Anfang April 2020 ergab eine große Studie, dass der menschliche Einfluss auf Wildtiere für die Verbreitung von Viren verantwortlich ist. Quelle: JOHNSON, Christine K., et al. Global shifts in mammalian population trends reveal key predictors of virus spillover risk. Proceedings of the Royal Society B, 2020, 287. Jg., Nr. 1924, S. 20192736.

Wortwahl: Ideen für Sprachgebrauch

Mehr davon:

  • Sichern, schützen, bewahren
  • “Diese Anstrengung (Wiederaufbau/Konjunkturpaket) zukunftsfähig ausrichten”
  • widerstandsfähig, resilient, Resilienz
  • wappnen, vorsorgen
  • modern und zeitgemäß
  • sozial und solidarisch
  • Niemanden zurücklassen

Vermeiden

  • Konsumverzicht als Bereicherung
  • Krise als Chance
  • Transformation, Wende, Zeit für Veränderung, Umbau
  • Innovativ
  • Vorantreiben
  • platte Formulierungen wie “Wirtschaft retten und gleichzeitig das Klima retten” → Überforderung, klingt unrealistisch, nach doppelter Anstrengung

Schlagkräftige Antworten zu Klima & Corona

U.a. basierend auf Webinarinhalten von ECF und GSCC

EmpfohlenNicht empfohlen
Wir erkennen die Klimakrise als umso dringender. Auch wenn sich die kurzfristigen Prioritäten zu Recht verschieben, bleibt die Klimakrise hoch auf der politischen Agenda und die Bewegung stark. Es wird umso klarer, welche Kosten Krisen haben.Die Coronakrise ist ein herber

Rückschlag für die Klimapolitik. Das könnte das Ende von FFF sein, etc.

Energiewende-Gegner instrumentalisieren Corona – sie nutzen die aktuelle Krisensituation aus, um ihren Kampf gegen die Klimawende auszuweiten.Wir müssen alle beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen genauso durchsetzen wie geplant.
Tod, Krankheit, Krise, Rezession – das ist

keine Vision für die klimaneutrale Welt.

Im Gegenteil: Je früher wir entschlossen handeln und die Emissionskurve abflachen, desto besser können wir deutlich härtere Maßnahmen später erfolgreich verhindern.

Radikale Maßnahmen wie gegen Covid-19 sollten auch im Kampf gegen die Klimakrise möglich sein.

/

Corona ist gut fürs Klima.

Wir können Lehren aus der Krise ziehen

(Zusammenarbeit, Solidarität…). Die

Maßnahmen, die aus der Krise folgen,

können unsere Gesellschaft u.

Wirtschaft resilienter machen.

Die Coronakrise bietet auch

Vorteile/Chancen für das

Klima, die wir nutzen sollten.

Besonders in Krisenzeiten sollten wir als

Gesellschaft solidarisch

zusammenstehen und nicht die

Generationen gegeneinander ausspielen.

Das Virus ist für alte Menschen genauso schädlich wie CO2-Emissionen für junge Menschen. (Generationenkonflikt)
Die Coronakrise hat sich durch menschliche Systeme verbreitet, teils durch menschliche Entscheidungen verschlimmert, und ist durch menschliche Eingriffe und menschliches Wirtschaften begünstigt worden.

Wir haben die Wahl: Unser Verhalten

entscheidet darüber, ob wir auf diesem Planeten gut leben können.

Der Mensch ist das Virus, die

Erde wehrt sich und zahlt es uns heim. Es ist schicksalhaft, oder Karma.

„Die Klimakrise ist noch da“ ist ein wichtiger Grundpunkt, der in jedem Fall gesagt werden muss. Zugleich muss es ein Stück weiter gehen, denn diese Formulierung deutet an, dass es Konkurrenz zwischen den beiden Krisen geben darf, anstatt aufzuzeigen wie viel die Corona-Krise die Bürger*innen darin bestärkt, dass unsere Gesundheit und Stabilität auf dem Planeten durch Investitionen in geschützt werden muss, siehe Krisenlehren, nicht Krisenkonkurrenz.

📈 Parallelen/Bezüge zwischen den Krisen

Die beiden Krisen sind nicht separat. Infektionskrankheiten entstehen nicht selten zuerst im zoologischen Feld, zum Beispiel bei der Missachtung von Hygienevorkehrungen in der Massentierhaltung. Umweltkatastrophen, die einfachste Infrastruktur für die humanitäre Versorgung wie den Zugang zu Elektrizität und Trinkwasser zerschlagen, begünstigen die Ausbreitung gefährlicher Keime und Epidemien.

Bundesumweltministerium auf Twitter:

Mit zunehmender Naturzerstörung steigt das Risiko von Krankheitsausbrüchen bis hin zu Pandemien. Deshalb ist engagierter, weltweiter Naturschutz ein wichtiger Schlüssel, um neuen Infektionskrankheiten vorzubeugen: https://t.co/qa55iBy7X9 #Biodiversity2020 #Corona

Es gibt da ein Ministerium, das es vor uns sagt… wenn nicht schon geschehen, sollte das von allen Kanälen freundlich, mit zahlreichen Beispielen, wiederholt kommuniziert werden.

Schnelles Wachstum der Probleme

Sowohl die Pandemie als auch die Klimakrise sind Probleme eines exponentiellen Wachstums bei begrenzter Kapazität, um diese zu bewältigen.

Die Öffentlichkeit begreift, dass man in einer solchen Situation in einer Weise handeln muss, die gegenüber der aktuellen Realität unverhältnismäßig erscheint, weil man darauf reagieren muss, wohin dieses exponentielle Wachstum einen bis zur Durchführung der Maßnahmen gebracht haben wird

Im Falle des Virus besteht die Gefahr darin, dass die Zahl der Infizierten die Gesundheitssysteme überfordert; im Zusammenhang mit dem Klimawandel besteht die Gefahr, dass das Emissionswachstum die Grenzen unseres Planeten, und sehr bald unsere Fähigkeit zur Bewältigung von Folgen wie Dürren, Überschwemmungen, Waldbränden und anderen Extremereignissen überfordert. Wir müssen die Parallelen zwischen Corona und Klima so ziehen, dass deutlich wird, dass es beim Klima nicht nur abstrakt um Emissionssteigerungen geht, sondern auch ganz konkret um Menschenleben, die durch die genannten Klimafolgen gefährdet werden.

Direkte Parallele: Im Jahr 2018 gab es in Deutschland 8000 mehr Hitzetote als im Jahr 2017. An Corona sind in Deutschland bisher knapp 2000 Menschen gestorben. In beiden Fällen sind vor alte Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen betroffen. https://www.focus.de/wissen/klima/sprunghafter-anstieg-bericht-zehntausend-hitzetote-in-deutschland-im-rekordsommer-2018_id_10993639.html

Politiker, die die erschreckende Macht der Wachstumsbeschleunigung begriffen haben, müssen dieses neue Verständnis auf das Klima anwenden.

Wenn man aus dem Fenster schaut, sieht es nicht wie eine Pandemie aus, sondern wie ein schöner Frühlingstag. Aber man muss alle Restaurants und Schulen schließen. Wenn man wartet, bis man die Auswirkungen sehen kann, ist es zu spät, um sie zu stoppen. Das gleiche gilt für das Klima.

Klimakrise steigert Pandemie-Risiko

  • Ein Interview mit dem Tropenmediziner Jonas Schmidt-Chanasit: Der Klimawandel spielt eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung neuartiger Viruserkrankungen wie Sars-CoV-2.

    “Ein sehr warmer Frühling und ein vielleicht noch wärmerer Sommer. Das führt dazu, dass zoonotische Erreger, gerade die, die von Stechmücken übertragen werden, auf dem Vormarsch sind, Regionen erreichen, die sie früher gemieden haben, weil es klimatisch dort zu kalt war. Jetzt ist es bei uns so warm, dass Mückenarten zu finden sind, die früher eher in südlichen Regionen beheimatet waren.

    Ein Beispiel ist das Usutu-Virus. In Deutschland registrieren wir eine intensive Zunahme der von Stechmücken übertragenen Viren.”

    Quelle – Bundeszentrale für Politische Bildung: Corona-Krise: Wie hängen Pandemie, Umweltzerstörung und Klimawandel zusammen?

  • In Deutschland gibt es seit einigen Jahren endemische (heimische) Fälle von Übertragungen des West-Nil-Virus, das eine Tropenkrankheit mit meist grippeähnlichen Symptomen, aber auch Meningitis oder Enzephalitis auslösen kann, und das von Stechmücken im Spätsommer übertragen wird, wenn zu dieser Zeit durch den Klimawandel günstige Bedingungen vorherrschen: Deutsche Apotheker-Zeitung, Robert-Koch-Institut
  • In Deutschland breiten sich zunehmend tropische Mückenarten aus, allen voran die Asiatische Tigermücke, die in Zukunft auch tropische Krankheitserreger für bspw. das Dengue-Fieber, Malaria oder Chikungunya übertragen könnten, so dass sich diese Erkrankungen auch hier weiterverbreiten könnten. Im Mittelmeerraum nehmen lokale Übertragungen von Malaria bzw. Chikungungya zu
  • Klimatische Bedingungen wirken sich stark auf durch Wasser übertragene Krankheiten aus, z.B. Schistosomiasis und Malaria – WHO dazu, zitiert Studien
  • Abholzung des Amazonas-Regenwaldes scheint die Ausbreitung der Malaria-Pandemie voranzutreiben – Interview darüberStudie in PNAS
  • Klimakrise belastet Gesundheitssysteme, die dann weniger gegen Pandemien leisten können
  • “Rampant deforestation, uncontrolled expansion of agriculture, intensive farming, mining and infrastructure development, as well as the exploitation of wild species have created a ‘perfect storm’ for the spillover of diseases.” Das sagen Wissenschaftler vom IPBES, dem “IPCC für Biodiversität”. Menschliche wachstumsabhängige Wirtschaft schuf die Bedingungen für diese Pandemie. https://www.theguardian.com/world/2020/apr/27/halt-destruction-nature-worse-pandemics-top-scientists – siehe auch https://ipbes.net/covid19stimulus
  • Das wurde auch am Petersberger Klimadialog (28.04.) durch Merkel und andere anerkannt – Klima und Biodiversität sind miteinander verbunden – https://www.bmu.de/presse/livestream/ und siehe https://www.germanwatch.org/de/18574

Dass Infektionserkrankungen und sogar Pandemien durch die Klimakrise begünstigt werden, wird auch in den folgenden Quellen beschrieben:

Gesundheit, Krisen und Resilienz

  • Wir sind gerade in einer Gesundheitskrise. Die zentrale Frage in der Gesundheitskrise, aber auch nach der Gesundheitskrise, muss diese Überlegung sein: Wie können wir unsere Gesundheit in Zukunft besser schützen?
  • Coronakrise zeigt wie krisenanfällig unser Gesellschafts- und Gesundheitssystem ist.
  • Mit fortschreitender Erderhitzung werden Krisen und externe Schocks wahrscheinlicher.
  • Die Klimakrise ist die größte gesundheitliche Herausforderung des 21. Jahrhunderts, wie im weltweit führenden Fachjournal der Medizin (“The Lancet”) beschrieben[3] – das ist eine starke Aussage, die immer wieder klar werden sollte. insbesondere für Kinder und ältere Menschen mit Vorerkrankungen.
  • Die beste Vorsorge ist Klimaschutz.

Nur ein stärkerer Green Deal kann den Wiederaufbau zukunftsfähig machen

Der Europäische Green Deal ist das Handbuch für Konjunkturprogramme und Investitionen, um die deutsche und europäische Wirtschaft krisenfester zu machen. Aber der aktuelle GD der EU-Kommission ist nicht genug.

Das vorgestellte Klimagesetz der EU-Kommission beinhaltet die Klimaneutralität bis 2050 und die 50/55-prozentige Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2030. Das ist weit entfernt vom Stand der Wissenschaft. Wir müssen bis 2030 eine etwa 80-prozentige Reduktion der Treibhausgasemissionen erreichen, um eine Chance zu haben, das 1,5°C-Ziel zu halten.

Lehren aus Corona als Gelegenheit für Politiker*innen

Das Problem beim Klima ist meist: Wähler*innen belohnen Politiker*innen dafür, dass sie akute Probleme lösen, aber seltener dafür, dass sie sie im Vorhinein verhindern. Gegenwärtig könnte die Verhinderung künftiger Probleme höher belohnt werden, weil allen Menschen bewusster werden kann, wie viel das wert ist. Es ist sehr wichtig, dass wir das wiederholt kommunizieren: Krisen lange im Vorhinein zu verhindern ist unglaublich viel wert. Das sollten wir jetzt im Hinblick aufs Klima tun.

Politiker*innen können nun erhobenen Hauptes über die goldene Brücke den Rückzug von ihren Haltungen gegen Klima antreten, und die Lehren aus Corona als Gründe heranziehen warum sie frühen und entschlossenen Klimaschutz als verantwortungsvoll und notwendig wahrnehmen. Insbesondere, wenn an Politiker*innen appelliert wird, sollte das beachtet werden – wenn es ihnen möglich ist, Klimaschutz “aus Corona lernend” anzugehen, dann haben sie eine Chance, ohne Gesichtsverlust und Wähler*innenfrust oder Parteikritik ihre Position zu verändern. All jene sollten bestärkt werden, die wie Andreas Jung (und potenziell die Grüne-Null-Gruppe) Haltung gegen Klima-Rollback zeigen und große Investitionen in eine zukunftsfähige, resiliente Wirtschaft (die nicht neue Krisen schafft) als notwendig erkennen.

🌱 Wirtschaftliche Talking Points

Besonders erfolgreich könnten Argumente sein, die direkt adressieren, dass eine funktionierende Wirtschaft in der Tat wichtig ist – aber dass sie natürlich nur “funktioniert”, wenn sie nicht ihre Grundlagen zerstört und die Menschen bedroht, die etwas “erwirtschaften”.

Kernpunkte zu Wirtschaft und Corona:

  • Das Wirtschaft- und Finanzsystem ist hochgradig von der Umwelt abhängig, es operiert nicht in einem Vakuum. Es ist fragil, und muss sich wandeln. Es destabilisiert mit der Klimakrise seine natürliche Umwelt und Grundlagen.
  • Die Krise zeigt, wie wichtig es ist, die Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung in die Mitte unseres Wirtschafts- und Finanzsystems zu stellen.
  • Man sollte keine Gesundheitskrise mit Maßnahmen bekämpfen, die die nächste Krise schüren; sondern diese Maßnahmen nutzten, um die Gesellschaft und Wirtschaft widerstandsfähiger gegenüber anderen Krisen, z. B. der Klimakrise zu machen.

“Jetzt nachzulassen (…) wäre genau die falsche Strategie, denn eine ungebremste Fortsetzung des Klimawandels hat das Potenzial, zu einer noch viel weitgehenderen und dauerhaften Krise verheerenden globalen Ausmaßes führen zu können.” https://www.csc-blog.org/de/konjunkturprogramm-zum-aufbau-resilienter-klimavertraeglicher-wirtschaftsstrukturen-nutzen

…einem solchen Zitat fehlen aber noch die Lektionen aus Corona über Krisen im Allgemeinen, die uns zeigen, wie sehr wir uns doch einig sind, dass wir Krisen verhindern und früh in unsere Gesundheit investieren wollen.

Hürden für Erneuerbare abbauen

Was sehr gut ankommt und sinnvoll ist, ist der Abbau von Investitionshemmnissen in zukunftsfähige Technologien, v.a. Erneuerbare Energien. Das Abbauen von Hürden ist normalerweise ein Deregulierungs-Talking Point, der genutzt wird, um wichtige Schutzmaßnahmen zu zerstören – hier trifft er einmal zu. Viele gute Punkte dazu finden sich in diesem Artikel von Tagesspiegel Background: Grüne Irr- und Auswege aus der Coronakrise

Auch Fatih Birol, Direktor der Internationalen Energieagentur (die üblicherweise Erneuerbare Energien als potenziallos darstellt), drängte in der vergangenen Woche Regierungen und internationale Finanzinstitutionen in ähnlicher Weise, den Klimaschutz in ihre Konjunkturanstrengungen einzubeziehen, indem sie investieren: in saubere Energie, Batteriespeicherung und Technologien zur Kohlenstoffbindung (Carbon Capture).

Er beschrieb: Unsere größten Probleme gemeinsam anzugehen, wird effektiver sein, als sie einzeln anzugehen. Und er hat Recht. Wir müssen sie so oder so angehen, und das jetzt zu tun, ist die billigste und einfachste Option, die wir haben.

Damit schneller Wandel funktioniert, muss er gerecht sein. „Die Menschen beginnen zu verstehen, dass man alle unterstützen muss, damit eine ganze Gesellschaft ihr Verhalten wirklich schnell ändern kann. Ein soziales Sicherheitsnetz verringert die Reibungskräfte des Wandels.”

Kritisieren: Instrumentalisierung von Corona durch profitmaximierende Klimagegner

Konservative Medien veröffentlichen in der Krise zunehmend Artikel,

die bestehende und angestrebte Klimaschutzmaßnahmen kritisieren. Die “Klimaaktivisten” werden kritisiert, Corona für ihr Thema auszunutzen – dabei lässt sich das nicht (oder nur in sehr geringem Umfang) beobachten. Es gibt eindeutige ↔ Parallelen und Bezüge zwischen den Krisen, und sehr wichtig sind die ✅ Lehren aus Krisenzeiten. Dem gegenüber bezeichnen Autokonzerne sinnvolle Schritte zur Stabilisierung des Planeten als Mehrbelastung. Das sollte kritisiert werden.

„Vieles von dem, was in den vergangenen Monaten gerade in Deutschland mit Priorität behandelt wurde – etwa die Ausrufung eines Klimanotstands in vielen Gemeinden oder das bizarre Festhalten an Diesel-Fahrverboten – erscheint im Nachgang geradezu spätrömisch-dekadent angesichts dessen, was jetzt auf unser Land an realen Problemen zukommt.“ (Focus, 25.03.2020)

Aussagen wie diese zeigen klar, wie wenig manche verstehen wollen, dass die Klimakrise ein gigantisches, äußerst reales Problem ist, durch das bereits zahlreiche Menschen sterben und das überall – auch in Deutschland – alle realen Probleme vervielfachen wird. → Hitzewelle, Dürresommer, Gesundheit, Bürgerkriege, zunehmende Fluchtursachen, und wie in Syrien entstehen durch die Notsituationen gesteigerte ethnische und religiöse Konflikte.

Weniger Steuern beizutragen, verschlimmert die Lage unserer Gemeinschaft

Steuern senken und den Sozialstaat schrumpfen, wie passend ist diese Forderung in Zeiten des geforderten Zusammenhaltens?

Erneut schob der Staatssekretär und neue Mittelstandsbeauftragte im Bundeswirtschaftsministerium, Thomas Bareiß, auf Twitter die Coronakrise vor, um eine Sabotage der Energiewende und mangelnden Klimaschutz zu rechtfertigen. In diesen Narrativen wird stark angedeutet, dass Ökonomie und Ökologie im Gegensatz zueinander stehen.

Eine starke Quelle für eine Widerlegung ist der IWF. Vor sechs Jahren veröffentlichte der Internationale Währungsfonds zu „Redistribution, Inequality, and Growth“ ein Paper. Eine der Kernbotschaften: „Umverteilung scheint im Allgemeinen einen positiven Einfluss auf das Wachstum zu haben“. Siehe Heterodoxes vom IWF | Telepolis

Es wird internationale Rettungspakete für den Globalen Süden brauchen

Analysen von Oxfam zeigen, dass die durch das Coronavirus verursachte Wirtschaftskrise über eine halbe Milliarde Menschen in die Armut treiben könnte, wenn nicht schnell und dramatisch gehandelt wird – Report: Dignity not destitution

If we shut down the cities … we will save [people] from corona at one end, but they will die from hunger.’ Imran Khan, Premierminister von Pakistan

Hilfspakete sollten ebenfalls dazu genutzt werden, Wirtschaftsformen aufzubauen, die nicht künftige und bestehende Krisen schüren. Zwischen jetzt und 2030 werden schätzungsweise 100.000 Menschen jährlich an direkten Klimafolgen sterben, das muss verhindert und nicht geschürt werden.

✅ Lehren aus Krisenzeiten

Einige Gedanken haben sich in zahllosen Köpfen verbreitet, die auf dieser neuen Kollektiverfahrung beruhen. Wir sollten sie vertiefen und stärken, damit alle Menschen Krisen besser verstehen – und sie verhindern.

Wir müssen aus dieser Krise lernen

  • Corona zeigt, was in Krisen möglich ist und zu wie viel Einsatz wir Bürger bereit sind.
  • Wir müssen die richtigen Lehren aus der Krise ziehen – auch um uns auf die Klimakrise vorzubereiten.

„Es ist nicht angebracht, Krisen gegeneinander auszuspielen oder füreinander zu instrumentalisieren. Es ist essentiell wichtig, dass die Corona-Krise sehr ernst genommen wird. (…) Weil wir jetzt kollektiv, solidarisch, nachhaltig eine Krise angehen, können wir lernen, wie wir andere bewältigen können. Das kann für die Klimakrise im besten Falle hilfreich sein.“ (Interview mit Luisa Neubauer, heute.de, 16.03.2020)

Krisenmomente haben enorme Kosten

Die aktuelle Krise drängt uns auf, wie chaotisch die Welt zukünftig wird, wenn sie sich immer weiter Post-2-Grad entwickelt und vielfache, große Krisen unterschiedlicher Art auf uns zukommen. Es ist in unser aller Interesse, alle Maßnahmen schnell zu ergreifen, um das zu verhindern.

Wenn man eine bestimmte Schwelle überschreitet, muss man krasse und abrupte Maßnahmen ergreifen, damit es nicht zur ungebremsten Vollkatastrophe wird… und obwohl man diese Maßnahmen ergreift, fängt man es nicht mehr vollständig ein.

Klimaschutz ist nicht wie ein Fluss, die mentale Metapher für Umweltschutz, die unter Politiker*innen weiterhin verbreitet ist… es rutscht immer mehr in die eine Richtung. “Später sauber machen” geht hier nicht.

Frühes Handeln ist günstiger

Früh sehr entschlossen zu handeln, hätte verhindern können, später viel härter durchgreifen zu müssen – zu langes Zögern ist, was wirklich gefährlich ist. In der Klimakrise wurde schon zu viel gezögert, es muss jetzt mit der Politik der Zukunft losgehen. Entschlossenheit ist ein Wert, der von der Politik bestens gefordert werden kann, und der im Sinne der Investitionssicherheit und Planungssicherheit auch durch Unternehmen gefordert wird – sie wollen, dass sich nicht jedes Jahr alles verändert. Planungssicherheit ist ihnen wichtiger als die Klimapolitik an sich. Zum Beispiel Ernst&Young und BASF lobbyieren deswegen gerade gegen einen weiteren Rollback der Klimapolitik.

Wir müssen früh auf die Wissenschaft hören

  • Aktuelle Krise stärkt die Rolle von Expert*innen und Wissenschaft für politische Entscheidungen
  • Hohes Vertrauen und hohe Abhängigkeit von Wissenschaft und Medizin
  • Wissenschaft hatte vor Pandemie gewarnt, warnt immer intensiver vor Klima-Chaos

Die Politik kann bei Krisen handeln

Wenn die Politik wirklich eine Krise als Krise begreift, kann sie schnell und entschlossen handeln – Ausreden, dass das “nicht geht” gelten nicht mehr. Die Klimakrise ist eine Krise – die zwar langfristiger ist, aber noch viel schwerwiegendere Folgen als Corona hat

Finanzhilfen nur an Unternehmen vergeben, die einen Plan vorlegen, wie sie bis Jahr X klimaneutral werden.

Den Gefahren gerecht zu werden, ist keine individuelle Frage

Die Klimapolitik muss alle dazu bewegen, die Kosten zu berücksichtigen, die ihr Handeln anderen auferlegt – seien es nun Krankheitsrisiken oder Kohlenstoffemissionen. Es geht darum, dass jemand anders einspringt und uns alle gemeinsam dazu zwingt, für die Kosten aufzukommen, die wir bisher alle ignoriert haben, was für Corona bedeutet: Wir verlassen uns als Gesellschaft nicht darauf, dass Eltern ihre Kinder aus der Schule nehmen, wir schließen die Schule. Wir verlassen uns nicht auf Unternehmen, dass sie ihren Angestellten sagen, dass sie zu Hause bleiben sollen, man verpflichtet sie dazu oder bezahlt sie dafür, aber das Land sorgt dafür, dass es geschieht. Und das ist natürlich die Rolle der Regierung. Es ist eine Frage der öffentlichen Gesundheit und des Überlebens unserer Mitmenschen.

Genau so ist es im Klima keine Lebensstilentscheidung, keine Frage für Einzelne, welche Klimaemissionen wir verursachen – sondern eine öffentliche Frage. Diese öffentliche Frage darf nicht auf Individuen abgewälzt werden, sie darf nicht privatisiert werden.

Es ist nicht klug, Klimaschutz positiv mit Maßnahmen und Veränderungen zu assoziieren, die derzeit von vielen als eindeutig negativ und gar voller Leid erlebt werden.

So wollen wir Krisen nicht beantworten müssen

Die Unterstützung für FFF in der Bevölkerung würden wir wohl gefährden, wenn wir Klima-Maßnahmen ähnlich den Corona-Maßnahmen fordern, oder in Zeiten einer Rezession sogar den individuellen Verzicht loben, der derzeit weitenteils unkontrolliert, ungewollt, und oft mit großen Mängeln und Ungerechtigkeiten verbunden stattfindet – eben als kollektiver, gemeinschaftlich notwendiger Verzicht.

(Es ist besser, freiwillige Solidarität zu loben, und nicht den negativen Verzichtsbegriff zu stärken, mit dem Klimagegner gerne FFF assoziieren, um uns als bedrohlich oder rückwärtsgewandt zu markieren.) FFF ist dadurch stark geworden, dass eine kritische Masse der Bevölkerung sich den Positionen angeschlossen hat.

  1. COSTELLO, Anthony, et al. Managing the health effects of climate change: lancet and University College London Institute for Global Health Commission. The Lancet, 2009, 373. Jg., Nr. 9676, S. 1693-1733.
  2. Analyse mit GENIOS (Presse Deutschland, Suche: “klimawandel OR klimakrise OR klimaschutz”, Zeitraum: Oktober 2019-März 2020)
  3. WATTS, Nick, et al. The Lancet Countdown on health and climate change: from 25 years of inaction to a global transformation for public health. The Lancet, 2018, 391. Jg., Nr. 10120, S. 581-630.
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